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Nur kein sicherer Hafen

Seit einigen Jahren kann Kriegsverbrechern aus Konfliktländern wie Syrien oder Afghanistan auch in Österreich der Prozess gemacht werden. Der juristische Weg dahin war steinig – und es bleibt noch viel zu tun. Eine kleine Rechtsgeschichte.

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Illustration :
Nele Fierdag
DATUM Ausgabe Mai 2021

Österreich ist ein kleines Land. Müßig zu sagen, dass unser Einfluss auf weltpolitisch bedeutsame Konflikte eher beschränkt ist. Das Bundesheer wird in Ländern wie Syrien jedenfalls nicht im Rahmen einer humanitären Intervention einmarschieren, und etwaige Sanktionen werden nicht unilateral verhängt, sondern im Rahmen der Europäischen Union. So begnügen wir uns mit der Rolle als Gastgeber für Konferenzen oder Heimat für internationale Organisationen.

Gänzlich irrelevant ist Österreich also nicht. Immerhin, einer von nur vier Sitzstaaten der Vereinten Nationen, außerdem haben die Organisation erdöl­ex­por­tierender Länder (OPEC) oder die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) in der Bundeshauptstadt ihr Zuhause gefunden. Dazu kommen bedeutende Verträge, die hier geschlossen wurden und daher › Vienna ‹ im Namen tragen (allen voran das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen oder die Wiener Vertragsrechtskonvention). Österreichs Außenpolitik hat es in der Zeit des Kalten Krieges also durchaus geschafft, eine über die eigentliche geo­politische Bedeutung hinausgehende Rolle einzunehmen. Davon zehrt sie bis heute.

Es passt insofern nicht ins Bild, dass das Völkerstrafrecht und die Möglichkeit, massive Menschenrechtsverletz­ungen in anderen Ländern zu verfolgen, hierzulande lange ignoriert wurden. Zwar ist Österreich bereits 1953 den vier Genfer Konventionen und fünf Jahre später der Völkermordkonvention beigetreten. Darin finden wir Verpflichtungen, Kriegsverbrechen oder den Genozid ins Strafgesetzbuch aufzunehmen und Täter entsprechend zu bestrafen.

Passiert ist das damals allerdings nicht. Warum, lässt sich heute kaum noch rekonstruieren. Einige dachten, die Genfer Konventionen seien ohnehin unmittelbar anwendbar und bräuchten daher keine Gesetzesänderungen. Andere sahen für die Umsetzung keine Notwendigkeit – vielleicht war man schlichtweg der Ansicht, als › immerwährend neutraler ‹ Staat ohnehin nie wieder mit Kriegsverbrechen oder gar zukünftigen Völkermorden in Berührung zu kommen. Vielleicht hat es auch einfach niemanden interessiert. Österreich beschäftigt sich bekanntermaßen bis heute lieber mit sich selbst als mit der Welt.

Das sollte sich erst 1975 zumindest teilweise ändern, als im Zuge der großen Reform des Strafgesetzbuches unter Christian Broda ein eigener Straftat­bestand für den Genozid geschaffen wurde. Für Kriegsverbrechen schien sich allerdings weiterhin niemand zu interessieren – war man doch der Ansicht, dass die Bestimmungen zu Verbrechen wie Mord oder schwerer Körperverletzung ausreichend wären. Eine › recht zweifelhafte Rechtfertigung ‹, wie es der große Wiener Völkerrechtler Karl Zemanek noch in der ersten Auflage des österreichischen Standardwerks zum internationalen Recht aus dem Jahr 1983 ausdrückte : Er bemängelte, dass dieser Missstand mit Ausnahme von eindeu­tigen Fällen darauf hinauslief, dass › Nichtjuristen ‹ so gut wie keine Möglichkeit hatten, die Ausführung rechtswidriger Befehle abzulehnen : Schließlich besitzt nicht jeder Soldat die notwendige strafrechtliche Expertise, um ohne einen Katalog von eindeutig definierten Kriegsverbrechen stets zu wissen, was er im Einsatz tun darf und was nicht. Abgesehen davon erschwert die Anwendung › gewöhnlicher Verbrechen ‹ auf Kriegssituationen auch die Arbeit von Strafbehörden – es lässt sich eben nicht immer eindeutig feststellen, unter welchen Umständen Kampfhandlungen als Mord, schwere oder fahrlässige Körperverletzung und ähnliche Straftaten einzustufen sind.

Die österreichische Argumentationslinie vom Strafgesetzbuch, das ohnehin alle (internationalen) Verbrechen umfasst, wurde dennoch auch in Folge des Beitritts zur UN-Antifolterkonvention 1987 beibehalten. Einmal mehr dasselbe Spiel : Eine Konvention verlangt die Einführung eines Straftatbestands, und Österreich beharrt darauf, dass die bestehenden › gewöhnlichen Verbrechen ‹ wie Freiheitsentziehung (§ 99) oder Körperverletzung die Folter ausreichend (mit)abdecken würden. Damit stieß man beim UN-Ausschuss gegen Folter allerdings auf taube Ohren, Österreich wurde 1999 und 2005 wegen der fehlenden Umsetzung der Antifolterkonvention gerügt. Erst 2012 wurde mit § 312a StGB ein eigener Straftatbestand für die Folter geschaffen, politisch waren vor allem die grünen Abgeordneten Alev Korun und Albert Steinhauser besonders hartnäckig, die anno 2009 einen entsprechenden Entschließungsantrag einbrachten.

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