Schlecht versorgt

Die Krise der Spitäler gefährdet nicht nur die Patienten, sondern auch das Gesundheitspersonal. Nach wie vor gibt es zu wenige Anlaufstellen für ›Second Victims‹.

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Illustration:
Christian Hummer-Koppendorfer / Kwien
DATUM Ausgabe Juni 2023

Es ist das Jahr 2018. Berta Girlitz arbeitet gerade in der Anästhesie des AKH Wien. Gemeinsam mit zu wenigen anderen Krankenpflegern versorgt sie zu viele Patienten. Und das schon zu lange. Seit gut einem halben Jahr fühlt sich Girlitz immer seltener arbeitsfit. An diesem einen Tag im Jänner ist es besonders schlimm.

Girlitz, sie hat gerade etwa die Hälfte ihres Dienstes hinter sich, steht vor einem narkotisierten Mann. Nach seiner Lungenspiegelung, bei der ein Schlauch durch den Mund die Luftröhre hinabgeschoben wurde, muss sie ihm ein Schmerzmittel verabreichen. Dazu sticht sie eine Spritze in eine Flasche, zieht Flüssigkeit auf und steckt die Nadel in den Katheter. Girlitz hat das schon unzählige Male gemacht. Zwei Medikamente liegen nebeneinander. Girlitz spritzt eines davon. Es ist das falsche.

Was sie von diesem Tag an durchlebt, erfahren rund  zwei Drittel aller Menschen in medizinischen Berufen irgendwann einmal. Das sogenannte Second-Victim-Phänomen, also neben Patienten das zweite Opfer im Gesundheitswesen zu werden, tritt auf, wenn Ärzte oder Pfleger zum Beispiel Patienten gefährden oder sie unter besonders tragischen Umständen sterben sehen. Solche Erlebnisse können traumatisierend wirken. Jede fünfte Betroffene leidet auch Jahre danach noch unter Depressionen und verliert das Vertrauen in sich selbst. Viele können ihren Beruf nicht mehr ausüben, bei manchen führt das alles gar in den Suizid. Institutionelle Hilfe für Betroffene gibt es selten.

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