Stadt gegen Förster
Der ehemalige Forstleiter Franz Els will die Kahlschläge in der Stockerauer Au stoppen. Die Bürgermeisterin sagt, die Rodungen seien nötig, um den Wald zu retten. Nun droht der Streit zu eskalieren.
Franz Els geht es schlecht. An einem Tag Anfang Oktober steht der ehemalige Forstleiter der Stadtgemeinde Stockerau vor einem rechteckigen Loch in der Wildnis. Durch die Maschen eines Metallzauns blickt er auf rund 5.000 Quadratmeter vollendete Tatsachen. Die Gemeinde hat den neuen Förster so gut wie alle Bäume fällen lassen. Dann hat er die Wurzeln und Sträucher entfernt und den Boden mit dem Häcksler gemulcht. Vom ursprünglichen Wald ist hier fast nichts übrig, es ist ein kompletter Kahlschlag. Die Folge: Das Ökosystem wird an dieser Stelle anfällig für invasive Arten, kleinen Amphibien fehlt plötzlich der Unterschlupf, und den Boden treffen ungewohnt viele Sonnenstrahlen, die ihn austrocknen.
Mehr als 30 Jahre lang lag die Stockerauer Au in der Obhut von Franz Els. Der 69-Jährige verbrachte fast sein gesamtes Berufsleben hier zwischen den Bäumen und Sträuchern. Heute muss Els sich überwinden, auch nur einen Fuß in den Auwald zu setzen. Und wenn er doch hineinradelt, dann nur auf den Wegen, von denen er weiß, dass dort noch alles in Ordnung ist. Doch heute steuert Franz Els gezielt auf den Schmerz zu, er will den Finger in die Wunde legen. Seit seiner Pensionierung im Herbst 2021 hat die Gemeinde Stockerau mit den Kahlschlägen in der Au begonnen und nicht mehr aufgehört. Ihre Begründung: Viele Bäume kranken am Eschentriebsterben, verursacht durch einen zerstörerischen Pilz, der dem Auwald zusetzt. Er ist hoch ansteckend und verbreitet sich von Esche zu Esche über den Wind.
Els hat bis dato 21 geschlägerte Flächen auf rund 5,4 Hektar penibel kartiert. ›Das ist Wahnsinn‹, sagt er. Den Umgang der Stadtpolitik mit dem Eschentriebsterben findet er falsch und überzogen. Außerdem ist dieser Wald ein Teil der größten zusammenhängenden Auenlandschaft in Österreich und gleich doppelt geschützt, als Natur- und Europaschutzgebiet. Kahlschläge sind deshalb ein No-Go, meint der Pensionist. Weil sich nach Jahren der Diskussion mit der Gemeinde nichts hat ändern lassen, ist Franz Els zum Äußersten bereit. Im April hat er die Stadt bei der Staatsanwaltschaft angezeigt – wegen ›vorsätzlicher Beeinträchtigung der Umwelt‹.
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