Trump, China und #axelsurft: Warum Politik und Memes heute untrennbar sind

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Felix Hübner ist 16 Jahre alt und macht derzeit ein Praktikum bei DATUM. Seit vergangenem September besucht er die I-FIT-Schule mit sozialpädagogischem Schwerpunkt im zweiten Bezirk in Wien. Er interessiert sich für Politik und Journalismus und ist Asperger-Autist.

30. Jänner 2020

Memes sind lustige Bilder oder Videoclips im Internet, die Leute, Tiere oder fiktive Charaktere in witzigen Posen zeigen und mit einem humorvollen Spruch versehen sind. Sie dienen zur Unterhaltung, bringen uns kurz zum Lachen und haben sonst keinen weiteren Zweck. Richtig?

Diese Definition ist extrem verkürzt. Erst einmal, weil wortwörtlich alles und jeder zum Meme werden kann: Zeichnungen, virale Videos, Personen des öffentlichen Lebens, Ausschnitte aus einer uralten Kinderserie, Stock-Fotos – alles ist dem Interesse der Netzgemeinde überlassen. Zumindest, seit es das Internet gibt, denn die eben erwähnte Regel gilt auch für das echte Leben.

Das war in dem Moment klar, als amerikanische Fernsehsender über ein Video mit einer Klavier spielenden Katze berichteten. Memes, die im realen Leben Aufmerksamkeit errangen, waren beispielsweise Aussagen des Wiener Ex-Bürgermeister Michael Häupl. Wie bei allen Medien und Kunstformen beginnt auch bei ihnen langsam die Politisierung. Aber harmlose Bildchen in Internetforen können doch niemals einen Umschwung bewirken. Oder?

Von Fröschen, Präsidenten und Uploadfiltern

Das Gegenteil beweist US-Präsident Donald Trump. Dieser sorgte 2015 und 2016 mit seinem polemischen Wahlkampf weltweit für Aufmerksamkeit. Bis heute fragt man sich, wie ausgerechnet er Präsident des mächtigsten Landes der Welt werden konnte. Wenn man zurück geht und nochmal Trumps Kampagne, seinen gesamten Werdegang und die Berichterstattung rund um diese genau analysiert, sieht man, dass hinter all dem ein jahrzehntelang ausgereifter Marketing-Plan steckt. In den 1990ern hatte er durch den Ehekrieg mit seiner ersten Frau, Cameos in Sitcoms, mithilfe obskurer Burgerwerbungen und einer eigenen Realityshow nationale und internationale Bekanntheit erlangt, zehn Jahre zuvor bereits durch seine ambitionierten Bauprojekte. Jahrelang war er von Partei zu Partei gewechselt. Und nun äußerte er sich zu Themen wie Migration und Außenpolitik. Auf diese Weise hatte er von allen Kandidaten die meiste Berichterstattung. Oder wie viele Artikel haben Sie damals über seinen republikanischen Gegenkandidaten, Ted Cruz, gelesen?

Trumps Omnipräsenz fand jedoch nicht nur in den etablierten Medien statt, sondern auch im Internet. Überall wurde er wegen seiner kleinen Hände und seiner Frisur verspottet und mit zum Meme gewordenen Tieren wie Grumpy Cat oder dem Gorilla Harambe verglichen. Man konnte ihm also nicht entkommen, egal wo man war.

Zeitgleich gab es im Netz aber auch eine sehr aktive Schar von Trump-Unterstützern. Seiten wie „r/The Donald“ auf dem sozialen Netzwerk Reddit propagierten Trump als Retter der freien Welt.

Die Unterstützung von Trump durch die Meme-Community ruinierte den Ruf einiger zuvor als harmlos angesehener Memes, wie beispielsweise Pepe der Frosch. Ursprünglich war er einfach nur ein Charakter, der auf einem Webcomic basierte, doch als einige rechtsfundamentalistische Trump-Sympathisanten Bilder mit dem Frosch als Trump oder Adolf Hitler posteten, gab es einen Aufschrei von Seiten der Demokratischen Partei, liberalen Medien und jüdischen Organisationen. Jeder, der das Meme jemals verbreitet hatte oder lustig fand, sei es nun aus ideologischen Gründen oder nicht, geriet nun in Verdacht, mit rechtsradikalem Gedankengut zu sympathisieren.

Doch Memes werden auch oft als Widerstand gegen eine bestimmte politische Agenda genutzt. In China wurde der dortige Staatspräsident Xi Jinping in Form von Bildmontagen mit dem Charakter Winnie Pooh verglichen. Daraufhin gab es Berichte, nach denen der Bär im chinesischen Internet zensiert und die Realverfilmung ›Christopher Robin‹ blockiert wurde. Doch damit war das Meme noch lange nicht am Ende, denn nun begannen ausländische Accounts, es weltweit zu verbreiten. Die Internetnutzer erreichten ihr Ziel: Der Staat machte sich lächerlich, und ein Teddy basierend auf einem Kinderbuch wurde zum Symbol für Zensur und Unterdrückung.

Genau dasselbe Szenario wie in China ereignete sich während der 1980er in Polen, in einem Jahrzehnt, bevor das Internet überhaupt existierte. Die Oppositionsbewegung Orange Alternative in der Stadt Breslau startete Proteste gegen das kommunistische Regime, in dem dessen Repräsentanten als Zwerge karikiert wurden, die man mit orangener Kreide an Hauswände kritzelte. Die Führung verbot die Abbildung dieser Kreaturen, und die Regierung demonstrierte mit diesem Schritt auch in diesem Fall ungewollt ihre Angreifbarkeit.

Doch wie sieht es hier und jetzt, in Europa, mit politischen Memes aus? Ein wahrhaftiger Aufschrei ging in den vergangenen Monaten auf vielen Webseiten durch das globale Internet, auf Grund der umstrittenen Urheberrechtsrichtlinie Artikel 13 (später unbenannt in Artikel 17). Diese wurde mit dem Ziel eingeführt, Betreiber großer Internetseiten direkt für Urheberrechtsverstöße haftbar zu machen. Viele, vor allem junge, EU-Bürger befürchteten dadurch eine Bevorteilung von Medienkonzernen, eine Einschränkung der Kunst- und Netzfreiheit, sowie ein drohendes Ende von Memes. Der deutsche Politiker Axel Voss, Abgeordneter der CDU/CSU im EU-Parlament, geriet nun in die Schusslinie der Protestbewegung und wurde ironischerweise selbst zum Meme. Hashtags wie #saveyourinternet und #axelsurft, mit dem die Voss von vielen attestierte Inkompetenz verspottet wurde, trendeten auf großen sozialen Medien. Ihren Höhepunkt erreichte die Debatte mit der Behauptung einiger konservativer Politiker und Journalisten, die Gegner der Richtlinie seien programmierte Bots und von Google gekaufte Demonstranten. Trotz aller Proteste wurde für die Richtlinie dennoch grünes Licht gegeben. Dies war eines der Themen, die in dem Video ›Die Zerstörung der CDU‹ des deutschen Youtubers Rezo angesprochen wurden, was letztlich zu einem starken Stimmenverlust der CDU bei der Europawahl 2019 beitrug.

Wie alle Massenmedien ist das Internet ein Spiegel unserer Gesellschaft. All die aufgezählten Beispiele sind Dinge, die passieren, wenn eine Spaßgesellschaft politisch wird. Sind Memes nun eine Gefahr? Nur, wenn man sie nicht versteht. Viele junge Leute empören sich über die anbiedernden und Fremdscham erregenden Social-Media-Kampangen der Parteien. Während für Trump mit Anspielungen auf semi-bekannte Cartoon-Frösche geworben wurde, hatte Hillary Clinton einen Dab – eine bestimmte Tanzpose – vollführt und auf Pokemon GO angespielt, beides Trends, die von vielen jungen Menschen bereits als nervig empfunden wurden.

Wenn die Politik das Internet zu einem für sie sicheren Ort machen will, muss sie anfangen, es zu verstehen. Denn unabhängig davon, welche Trends Mainstream werden und welche in der Nische bleiben: Die Welt bewegt sich weiter.

(c) Cheezburger.com/WendellH