Urlaub mit Schuldgefühl

Eine junge Frau ist für eine Urlaubsreise ins Flugzeug gestiegen. Nun schämt sie sich dafür. Aber kann das schlechte Gewissen der Einzelnen wirklich dazu beitragen, den Flugverkehr zu verändern?

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Celine Moser* sitzt in Thailand am Strand. Heute war sie Kajakfahren, in den nächsten Tagen will sie schnorcheln. Vor ein paar Wochen bestieg sie in Nepal so hohe Berge wie nie zuvor. Im Vergleich zum dichten Nebelfeld im Klagenfurter Becken, in dem sie die letzten Winter verbracht hat, ist das wohl das Paradies. Aber die 28-Jährige plagt ihr schlechtes Gewissen. „Als ich aus dem Flugzeug ausstieg, dachte ich: Genau das wollte ich nicht“, sagt sie. Celine Moser schämt sich für den Flug, der rund 850 Kilogramm an CO2-Emissionen verursacht hat – eineinhalb Mal so viel wie eine Person aus Äthiopien in einem ganzen Jahr. Und weil Celine das weiß, erzählte sie für diesen Text zuerst bereitwillig von ihrer Flugreise, hat aber dann beschlossen, ihren echten Namen lieber nicht in der Zeitung lesen zu wollen. Sie befürchtet, sich im Berufsleben, das vielleicht Richtung Nachhaltigkeit gehen soll, etwas zu verbauen, wenn sie mit einer Flugreise in der Öffentlichkeit steht. Außerdem hat sie Angst davor, was Menschen über sie denken, wenn sie vor allem das über sie wissen: dass sie nur für Urlaub in ein Flugzeug gestiegen ist.

Mit ihrem schlechten Gewissen ist Celine nicht alleine. Seit circa 2017 gibt es dafür einen Begriff: Flugscham. Auch die Soziologin Miriam Schad nennt ihn. Sie forscht an der Technischen Universität Dortmund zu sozialer Ungleichheit und umweltsoziologischen Themen. Weit zu reisen ist einerseits ein Zeichen dafür, weltoffen und modern zu sein. „Beschleunigung in unserer Gesellschaft und der Druck, so effizient wie möglich mit Zeit umzugehen – das sind Faktoren, die Flugreisen eher begünstigen, weil man sich oft gar nicht erlaubt, eine längere Anreise in Kauf zu nehmen.“ Während die einen dem globalen Lebensstil Anerkennung zollen, ist er für die anderen ein Grund, die Moralkeule zu schwingen. Celine erlebte das vor ihrer Reise oft: „Dass ich mir so viel Zeit für eine Reise nehme, die nicht mit Arbeit und Ausbildung verbunden ist, die Idee musste ich ziemlich verteidigen”, sagt sie.

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