Vassilacool

Warum die grüne Macht­strategin Maria Vassilakou beschloss, nicht geliebt werden zu müssen.

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Illustration:
Diego Riselli
DATUM Ausgabe Juli/August 2018

Liebe ist keine politische Kategorie. Seit Anfang November 2010 zeichnet sich eine Einigung auf eine Koalition mit der SPÖ ab und Maria Vassilakou weiß, sie wird zur ersten – echten, mit Kompetenzen und Budget ausgestatteten – grünen Stadträtin Wiens aufsteigen. Vassilakou, das Einzelkind, die Musterschülerin, der es ›immer wahnsinnig wichtig war, nicht nur die Anerkennung, sondern auch die Zuneigung der anderen zu haben‹, analysiert die Lage: ›Ich bin eine Frau. Ich bin eine Ausländerin. Und die ÖVP wird alles tun, um mich, ja, fertig zu machen. Das ist Handwerk, ich würde es auch so machen.‹ Dann hätte sie eine Entscheidung getroffen, erzählt die Politikerin heute: ›Ich werde mein Handeln und meine Entscheidungen nicht danach ausrichten, ob ich dafür geliebt werde.‹

Der Entschluss sollte sich als notwendig erweisen. Seit sich Vassilakou 2013 anschickte, Autos von der Mariahilfer Straße zu verdrängen, bläst ihr auf Facebook ein Shitstorm entgegen, der sich nie gelegt hat. Händler, die ihr Geschäft auf oder um die Mariahilfer Straße betreiben, erzählen, dass sie immer noch gelegentlich ein ›Vassila-Kuh‹ aufschnappen. Spricht man einen Wiener Taxifahrer auf sie an, kann es passieren, dass dieser zu einer Tirade gegen Tempo-30-Zonen ansetzt und nicht mehr aufhört. Die Boulevardzeitungen halten der Stadträtin für Planung und Verkehr vor, sie schikaniere Autofahrer, weil sie Rad-­Fanatikerin sei; dabei kursiert seit Jahren ein Ketten-Mail, das Vassilakou vorwirft, sie würde nur dann selbst auf ein Fahrrad steigen, wenn ein Fotograf in der Nähe wäre. Nachdem der Wiener SPÖ-Vorsitzende Michael Ludwig im Mai sein Team vorgestellt hatte, brachte die ›Kronen Zeitung‹ auf Seite eins die neuen Stadtregierungsmitglieder hübsch lächelnd und die bereits länger gedienten Roten neutral nett, nur Vassilakou lugte wie eine Hexe von rechts unten aus dem Eck hervor. Nach einer umstrittenen Entscheidung für ein Hochhaus am Rande der Innenstadt wollten sie im Herbst vergangenen Jahres letztendlich auch Teile der eigenen Parteibasis aus dem Amt jagen.

Im Mai war Maria Vassilakou die bekannteste und die unbeliebteste unter allen Wiener Stadtpolitikern, das besagt der sogenannte Vertrauensindex, den das Meinungsforschungsinstitut OGM regelmäßig erstellt.

Im Juni schaffte sie es, dass die Wiener Grünen den Modus änderten, nach dem sie den ersten Platz auf ihrer Liste für die Landtagswahl, die spätestens im Herbst 2020 stattfinden wird, vergeben – so dass sie nach 13 Jahren als Frontfrau der Wiener Grünen im Spiel bleibt.

Eine Eigenschaft Vassilakous wird immer als erste genannt, egal, wen man danach fragt. Ob Freund, ob Feind, von ihrem Mentee, dem grünen Gemeinderat Peter Kraus, bis zu ihrem politischen Widersacher, dem ehemaligen Wiener ÖVP-Chef Manfred Juraczka, sagen alle: durchsetzungskräftig. Im Wahlkampf 2015 schlug sie in dieser Kategorie sogar den damaligen Bürgermeister Michael Häupl, der da schon länger als 20 Jahre im Amt war. Anders als ihr Image vermuten lassen würde, rührt Vassilakous Durchsetzungskraft aber nicht von einer durch Emotionen getriebenen Sturheit her. Die Politikerin analysiert die Ausgangslage bei jeder Problemstellung kühl, wägt die Interessen aller Beteiligten ab und skizziert auf einem Blatt Papier eine Strategie, die sie dann konsequent durchzieht. Jeder Grüne, mit dem man über sie spricht, kommt früher oder später auf ihre ›machiavellistischen Züge‹ – eine ambivalente Zuschreibung.

Sie selbst vergleicht sich lieber mit einem Fuchs, ›der mindestens zwei Ausgänge hat in seinem Bau‹. Vassilakou hat immer einen Plan. Und einen Plan B. Und C. ›Bis Plan Z‹, sagt sie. Die 49-Jährige sitzt in ihrem Büro, das alles andere ist als ein Fuchsbau: ein sechs Meter hoher Raum, so groß wie zehn Wohnzimmer, aber für Stadtrats-Verhältnisse im Wiener Rathaus bescheiden. Sie trägt ihre Kommunalpolitikerinnen-Uniform, ein Etui- oder Wickelkleid, an diesem Tag hat es Hahnentritt-Muster, mit einer kurzen Jacke, gerne aus Leder, diesmal schwarzer Stretch-Jersey, und elegante Schuhe mit Absatz, bei der Hitze sind es Sandalen. ›Ich achte immer penibel darauf, dass ich nie in eine Falle gerate, aus der es keinen Ausweg mehr gibt‹, sagt sie: ›Bis in meine 30er hatte ich Panik, gefangen zu sein. Eigentlich fürchtete ich Festlegungen wie der Teufel das Weihwasser.‹ Denn wer sich festlegt, wer Entscheidungen trifft, muss für deren Konsequenzen die Verantwortung tragen. ›Dann gehen auch Türen zu und man läuft Gefahr, ja, nicht geliebt, nicht gemocht zu werden.‹

Sie selbst vergleicht sich mit einem Fuchs, der ›mindestens zwei Ausgänge hat in seinem Bau‹. Maria Vassilacou hat immer einen Plan. Und einen Plan B. Und C. ›Bis Plan Z‹, sagt sie.

Vassilakou ist 26 Jahre alt, hat ihr Sprachstudium abgeschlossen und ist allseits beliebte Generalsekretärin der Hochschülerschaft, als Peter Pilz, damals Frontmann der Wiener Grünen, sie als Mitarbeiterin ins Rathaus holt. Fast gleichzeitig heuert eine andere junge Akademikerin im grünen Klub an, Eva Glawischnig. Die beiden Frauen sind ehrgeizig, intelligent, medientauglich und Realos, so nannte man damals – im Gegensatz zu den Fundis – jene Grünen, denen Recht bekommen wichtiger war als Recht haben. Sonst haben die beiden nicht viel gemeinsam: Vassilakous kumpelhafte, immer forsch-fröhliche Art verdeckt ihre Kopflastigkeit; lange Sitzungen sind ihr ein Gräuel, beim Essen und Trinken in geselliger Runde bleibt sie aber gerne länger, unterhält die Runde mit Witzen, die manche erröten lassen, bru-ha-ha. Ihre politische Leidenschaft sind die Themen Menschenrechte und Integration. Glawischnig versteckt ihre Empfindsamkeit hinter einer kühlen Fassade, mit der sie die meisten Menschen auf Distanz hält. Vor dem Frühstück war sie schon drei Runden joggen, und dann noch eine Extrarunde. Ihre Arbeit erledigt die Umweltjuristin mit derselben eisernen Disziplin.

Ein dreiviertel Jahr später wird Vassilakou Landtagsabgeordnete. Glawischnig verfehlt den Einzug ins Rathaus und wechselt zu den Bundesgrünen. Eine Dekade vergeht, Christoph Chorherr führt die Wiener Grünen an – und will an Maria Vassilakou übergeben. Unermüdlich radelt er durch die Stadt und versucht, die Parteibasis und die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass die Mittdreißigerin die richtige Spitzenkandidatin für die Wahl 2005 sei. Er bemüht dafür zwei Argumentationslinien: Politiker, also Menschen, hätten, ungeachtet ihres wahren Charakters, eine kalte oder warme Ausstrahlung, am Wahltag würden die warm Wirkenden besser ziehen. Er, Chorherr, gelte als kalter Fisch, Vassilakou hingegen, obwohl ihm im Denken nicht unähnlich, als gemütlich und warmherzig. Für sein zweites Argument steigt Chorherr vom Rad und nimmt Papier und Bleistift zur Hand. Er zeichnet ein Kreuz: An den Polen der senkrechten Linie stehen einander Freiheit und Zwang gegenüber, an jenen der waagrechten Kollektiv und Individuum. Chorherr zeichnet sich selbst in dem Quadranten ein, wo Freiheit und Individualität wichtige Werte sind. Die grüne Funktionärsschicht hingegen, doziert er, zumal die Wiener, würde sich im entgegengesetzten Quadranten befinden, seien etatistisch orientiert. Und wo steht Maria Vassilakou? Sie wurde in Athen zu Zeiten der erzkonservativen Militärjunta geboren. Ihr Vater war Bauunternehmer, aber auch ein Linker, der heimlich BBC hörte und in seinem Büro Oppositionelle versteckte. ›Bei den Linken konntest du in den 70er-Jahren lernen, was Gemeinschaft und Solidarität bedeutet‹, erzählt sie: ›In der pubertären Auseinandersetzung mit meinem Vater wurden mir aber individuelle Freiheit und Selbstbestimmung immer wichtiger, der Utilitarismus immer suspekter.‹

Christoph Chorherr zeichnet seine Wunsch­nach­fol­ge­rin 2005 in der Mitte des Kreuzes ein, die ideale Besetzung, um den zerstrittenen Haufen von Fundis und Realos zu einen und gleich­zeitig linke und rechte Wähler anzusprechen. Sein Plan sollte aufgehen.

Eine halbe Woche nach Vassilakous Kür zur Nummer eins der Wiener Grünen erscheint im Falter eine Geschichte, die das vom New-York-­Times-­Kolum­nisten David Brooks ­geprägte Etikett bobo, kurz für bourgeois-­bohémien, in Wien durch­setzen sollte. ›Der Grün-­Wäh­ler hat ein soziales Gewissen, quält sich aber nicht rund um die Uhr damit, stets so zu leben‹, wird Vassilakou zitiert: ›Alternativen statt Verzicht ist das Motto!‹ Sie selbst fährt damals noch eine schwere Enduro-Maschine. Und, das hat sich nicht geändert, sie kocht ­leidenschaftlich gerne, zu jener Zeit am liebsten nach Fernsehkoch Jamie Oliver, der – das muss bitte gesagt sein – ›nebenbei arbeitslose Jugendliche zu Köchen aus­bildet‹.

Er, Christoph Chorherr, gelte als kalter Fisch. Vassilacou hingegen, obwohl ihm im Denken nicht unähnlich, als gemütlich und warmherzig.

Auch die konservativeren Medien sind von Vassilakou angetan. Der Kurier findet sie ›adrett‹ und glaubt, sie ›eignet sich schon wegen ihrer Herkunft nicht als Bürgerschreck‹. Die Presse schreibt: ›Ihr Aufstieg bei den Grünen ist auch mit dem grundsätzlichen Wandel der Partei von einer reinen Ökoformation zu einer grün-orientierten, links­liberalen Partei verbunden, mit der sich auch so man­che Bürgerliche identifizieren können. Vassilakou ver­kör­pert genau diesen Typus einer grünen, gleichzeitig urbanen und schicken Politikerin.‹ Endlich eine Grüne, die nett ausschaut! Nix mehr mit Jesusschlapfen und Strickhauben.

Bei der Landtagswahl 2005 erzielen die Wiener Grünen mit 14,6 Prozent ihr bestes Rathaus-Ergebnis, bis dahin und seitdem.

Nach der Wahl 2010 entscheidet sich der rote Bürgermeister Michael Häupl für eine Koalition mit den Grünen. Maria Vassilakou wird Vizebürgermeisterin und Stadt­rätin für Planung und Verkehr – nicht ihre Themen, nicht ihre Kompetenzen. Sie selbst findet, als ›Urbanistin, durch und durch‹ sei sie sehr wohl für dieses Ressort geeignet. In ihren Worten klingt das so: ›Ich wuchs dort auf, wo die Stadt endete. Hinter unserem Haus Olivenhaine und Felder mit Schafen und Ziegen. Nach der Schule schwirrten wir aus und niemand rief nach uns, bis die Sonne unterging. Dann wurde dort gebaut, ohne jede Grünraumplanung, auch von der Firma meines Vaters. Alles, was mir wichtig war, verschwand. Die Stadt wurde dichter und dichter, mehrstöckige Gebäude mit graus­lichen kleinen Vordergärten. So kann man das nicht machen.‹

Bei jedem Termin, den die Stadträtin heute abspult, sei es eine PR-Veranstaltung der Immobilienbranche oder eine Diskussion über 20 Jahre Gürtellokale, erklärt Vassilakou ihr stadtplanerisches Credo: ›Ich will eine Stadt, die gut ist zu Kindern. Denn das, was wir uns für unsere Kinder wünschen, ist das, wonach wir uns eigentlich selbst sehnen: Freiraum, Bezug zur Natur, sich sicher fühlen. Eine Stadt für Fußgänger.‹

Vassilakous fehlendes Fachwissen bei Amtsantritt gleichen drei Gemeinderäte aus, beim Thema Verkehr Rüdiger Maresch, beim Thema Stadtplanung Christoph Chorherr, in den ersten Jahren gemeinsam mit Sabine Gretner. Der Deal mit der SPÖ: Wir machen in unserem Ressort, was wir wollen, abgesehen davon beherrscht ihr die Stadt weiter wie gehabt. Und sie machen: Jahreskarte für den öffentlichen Verkehr um 365 Euro; Fußgänger- und Begegnungszone Mariahilfer Straße; Ausweitung des Parkpickerls; Ampeln mit gleichgeschlechtlichen Pärchen; Tempo 30; Wohnstraßen; Grün­flächen, nicht nur am Stadtrand; Radwege, Radwege, Radwege. Die Einwohnerzahl steigt rasant an, deshalb wird in der Bundeshauptstadt gleichzeitig mehr gebaut denn je.

Hannes Swoboda, von 1988 bis 1996 selbst Planungsstadtrat von Wien, stellt Vassilakou ein gutes Zeugnis aus: ›Die Stadt kann mit ihrer Arbeit durchaus zufrieden sein. Sie hat die richtige Auffassung von den Aufgaben, die eine Stadt zu vollbringen hat, und bringt bei der Umsetzung gute Argumente.‹ Im Prinzip findet der Sozialdemokrat die Zurückdrängung des Individualverkehrs und die Begrünung aller Wohngegenden richtig, allein ›die Balance hat nicht ganz gestimmt.‹ Andere SPÖler drücken sich weniger vornehm aus: Vassilakou mache Klientelpolitik für die grüne Oberschicht der Innenstadtbezirke und ver­nach­lässige die breite Mittelschicht in den Außen­bezirken.

Christoph Chorherr, nach wie vor Vassilakous politischer Wingman, beschreibt ihren politischen Stil so: ›Sie pfeift sich nix. Und sie entscheidet. Sie tut.‹ Er fügt seinem Diagramm von 2004 eine dritte Dimension hinzu: das Gegensatzpaar progressiv/weltoffen und bewahrend/auf die eigene Gruppe bezogen. Vassilakou sei eindeutig der ersten Gruppe zuzurechnen. ›Sie ist noch immer ein wahnsinnig neugieriger, weltoffener Mensch und kein zynischer Zombie, wie so viele in der Politik‹, sagt Chorherr: ›Wir wollen noch immer wirklich etwas unternehmen – im Gegensatz zu unterlassen.‹

Diese Art der Politik zeitigte jene Folgen, die Vassilakou vor ihrer Angelobung befürchtet hatte, nur heftiger. Vassilakou spricht nicht gerne über die Anfeindungen, denen sie ausgesetzt ist, denn Lamentieren ist kontraproduktiv, Wehleidigkeit unsympathisch, und es soll nur ja niemand auf die Idee kommen, sie sei ohnmächtig. Auf die Frage, wie sehr sie der Shitstorm belaste, antwortet sie in nüchternem Ton: ›Es hat zu Beginn geschmerzt und dann hat es weniger geschmerzt. Und irgendwann war es Teil des Alltags. Und heute ist es so, da denkst du, okay, diese Variante hatten wir noch nicht, aber eine Stunde später lachst du wieder. Ja, es ist nicht immer lustig, aber, hey: If you can’t stand the heat, get out of the kitchen. Es gibt Menschen, die mit ganz anderen Problemen konfrontiert sind. Ich habe ein schönes Leben.‹

Vassilakou schützt sich mit drei Methoden: Sie nimmt es mit Humor, ließ sich im Wahlkampf 2015 etwa über­le­bens­groß als Hexe plakatieren. Sie fährt, sooft es nur geht, in ihr Haus am Meer in Griechenland, wo sie keiner kennt – was ihre Gegner wiederum als faul brandmarken. Und sie liest nie, was auf Online-Foren von Zeitungen oder auf Face­book über sie verbreitet wird. Diese Einstellung verdankt sie der Blackbox, einem Chatroom, in dem sich in den frühen 1990er-­Jahren jene Wiener Studenten, Schüler und Politaktivisten tummelten, die bereits Internetzugang hatten, etwa in den Büros der ÖH, wo Vassilakou arbeitete. So beobachtete sie damals mit Schaudern ein Phänomen, das heute Online-Enthemmungs-Effekt genannt wird.

Trotzdem haben sie die acht Jahre als Stadträtin verändert. Die Mary, wie sie ihre Freunde nennen, ist immer noch meistens freundlich und wirft immer noch oft ihren Kopf in den Nacken und lässt einen lauten, tiefen Lacher erschallen. Aber sie kann auch anders: ›Gemma, zack, zack!‹, herrscht sie dann ihre Mitarbeiter an. Oder sie sagt fuchtig: ›Was soll’s? Schmerzen müssen sein.‹ Zudem sind die Grünen dank ihrer basisdemokratischen Wurzeln so organisiert, dass Amtsträger selten gleichzeitig Parteichefs sind. Vassilakou entfremdete sich zusehends von den Bezirksgruppen. Ihr Kreis werde kleiner und kleiner, kritisieren jene, die außerhalb stehen.

So unterschätzt die Analytikerin auch, was sich Ende 2016 rund um den Heumarkt zusammenbraut. Am Rande der Innenstadt soll ein Hochhaus errichtet werden, nach vier Jahren der Architekturwettbewerbe, Verhandlungen und Umplanungen gibt die Stadträtin grünes Licht. Denkmalschützer, Künstler und Intellektuelle sind entsetzt. Das Label ›Weltkulturerbe‹ steht auf dem Spiel. Für ein Hochhaus! Mit Luxuswohnungen! Von einem Investor! Hässlich wird es auch noch. Sind die Grünen von der Baumafia gekauft? Vassilakou kann eine Urabstimmung unter den grünen Parteimitgliedern nicht verhindern, diese lehnen das Projekt Heumarkt mit knapper Mehrheit ab. Sie überlässt den Gemeinderäten die Entscheidung – und setzt sich durch.

Ein halbes Jahr später fliegen die Grünen aus dem Nationalrat. Krise, wohin man schaut. Die Heumarkt-Gegner wollen Maria Vassilakou bei einer Landesversammlung im November aus dem Amt jagen. Sie tritt die Flucht nach vorne an, stellt die Vertrauensfrage und kann immerhin noch drei Viertel der Anwesenden hinter sich versammeln, weil sie verspricht, die Öffnung der Partei selbst voranzutreiben und ihre Nachfolge vorzubereiten.

Bei der nächsten Landesversammlung Mitte Juni bringt die Strategin ihre Vorstellungen, nein, ein von von allen Gruppen gemeinsam erarbeitetes Prozedere, durch. Die berüchtigte Basis verliert an Macht: Platz eins auf der Wahlliste vergeben künftig Parteimitglieder und Wähler, die sich registrieren lassen, fast gleichberechtigt. Da die Wiener Grünen auf knapp 1.500 Mitglieder kommen, kann man seine Chancen auf die Spitzenkandidatur mit der Mobilisierung von nur wenigen hundert Sympathisanten entscheidend verbessern.

Drei potenzielle Kandidaten würden sich den Job zutrauen, wollen sich aber noch nicht in die Karten schauen lassen: Klubobmann David Ellensohn, seit den 1990ern in der Landespolitik aktiv und seit bald 15 Jahren der zweite Mann im öffentlichen Auftritt der Wiener Grünen, besetzt die Themen Bildung und Kontrolle. Landessprecher Joachim Kovacs kämpft mit Aktionismus und Stirnband gegen Ungerechtigkeiten aller Art. Gemeinderat Peter Kraus engagiert sich für die Grünen andersrum und würde einen echten Generationswechsel einleiten, von Bobo zu Hipster.

Was plant Maria Vassilakou? Sie schaut nach rechts oben und findet keine passende Antwort. Sie blickt nach links unten, beginnt den Satz dreimal neu und sagt dann, sie werde im Herbst bekanntgeben, ob sie noch einmal antrete. Eine mögliche Variante wäre an die Übergabe Chorherr / Vassilakou Mitte der Nullerjahre angelehnt: Wer auch immer das Rennen macht, soll um Vassilakou nicht herum kommen, soll sie bis zur Wahl ungestört als Stadträtin weiter arbeiten lassen und ihr – sicher ist sicher – einen passablen Platz auf der Wahlliste verschaffen, sagen wir: Platz 4, notfalls Platz 6. Erkennt sie, dass sich das nicht ausgeht, steigt sie selbst noch einmal in den Ring.Gewiss ist nur, Maria Vassilakou hat einen Plan. Und einen Plan B. Bis Z.