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›Verdrängung ist per se nicht schlecht‹

Die Interviewerin führt Gespräche ›Auf Leben und Tod‹, diesmal mit dem Kabarettisten Florian Scheuba.

Wann war Ihnen das erste Mal bewusst, dass es den Tod gibt?

Es gab eine Zeit, da war ich so zwölf, dreizehn Jahre alt, wo ein paar meiner Verwandten, Großtanten, Onkel, Großmutter gestorben sind. Aber ich kann nicht sagen, wann ich mir das erste Mal Gedanken darüber gemacht habe. Mit den Todesfällen verbinde ich vor allem Gefasstheit.

Was ist der Tod heute für Sie?

Ein großes Fragezeichen. Ein Rätsel. Ich glaube, dass man ihn bis zu einem gewissen Grad verdrängen muss, denn wenn man jeden Tag von früh bis spät daran denkt, ist man gelähmt. Deshalb glaube ich, die Verdrängung per se ist noch nichts Schlechtes. Es ist nur gefährlich, wenn es ein Tabu ist. Wenn man nicht daran denken kann oder den Gedanken verscheuchen muss, wenn er auftaucht. Ich versuche vernunftorientiert daran zu denken. Wenn wir unsterblich wären, könnte man alles verschieben und es wäre wurscht, was man macht, weil man unendlich Zeit hat. Ich weiß nicht, ob ich das glaube, aber ich bin der Meinung, dass man daraus etwas Positives ziehen kann. Die Aufforderung bewusst zu leben ist damit zweifelsohne gegeben. Das Leben wird durch den Tod kostbar und es ist eine permanente Erinnerung, die Zeit nicht mit Unfug zu verscheißen.

Versuchen Sie, sich Zeit bewusst zu machen?

Ja, schon. Das ist bei mir vielleicht ein wenig anders, weil ich nie groß Pläne gemacht habe. Mein Beruf ist nie aus Planung entstanden. Wir haben mit 16 Jahren Kabarett gespielt und das hat funktioniert, warum auch immer. Dann habe ich noch begonnen zu studieren, aber dann mit 19 war es schon ein Fulltime-Job. Ich war mein eigener Chef, es hat mir Spaß gemacht, das fand ich super. Das hat sich bis heute nicht geändert. Und es ist ja ein irres Privileg, dass ich das machen kann, dass Menschen mir zuschauen. Ich muss mir eher die Frage stellen, was will ich eigentlich sagen. Aber einen großen Lebensplan habe ich nicht.

Sie haben schon von Berufs wegen eine ironische Distanz zu den Dingen, einen scharfen Blick auf die Welt – wann sind Sie völlig ernst?

Beim Spiel selber. Das gilt auch für den Fußballplatz, wo ich nur dann neunzig Minuten in der Kälte sitze, wenn ich es ernst nehme. Wenn ich mir zwischendurch denke, völlig wurscht, wie das Match ausgeht und das hinterfrage, was ich da mache … dann gehe ich vermutlich. (lacht)

Für wen setzen Sie sich eigentlich bei Minusgraden ans Spielfeld?

Rapid! In dem Fall kann man dieses Spiel mit meinem Spiel auf der Bühne vergleichen. Bei meinem geht’s auch nur, wenn du es ernst nimmst. Wenn du Leuten etwas erzählen willst, musst du es ernst meinen. Gerade wenn es wahnsinnig komisch ist. Komisches entsteht nur aus Ernstgemeintem. Bühne ist ernst. Ich lasse mich ja auf das Spiel ein. Ich könnte auch auf der Bühne sagen, ach wurscht, die Vorstellung is mir heute auch net so wichtig. Nein! Es muss mir ein Anliegen sein, dem Publikum eine Geschichte zu erzählen. Dazu muss ich es ernst nehmen.

Ich habe gelesen, Sie sammeln Weine, genießen guten Wein – wie wichtig ist der Genuss im Leben?

Für mich ist der wichtigste Faktor die Zeit. Kein Genuss geht ohne Zeit. Egal ob bei Wein, Musik oder gutem Essen. Das sind für mich auch Momente des bewussten Lebens. Das macht das Leben lebenswert.

Was noch?

Familie. Frau, Kinder. Musik hören, Bücher lesen.

Wie wollen Sie denn sterben?

Natürlich wäre es schön, wenn ich nicht qualvoll und lange sterbe, oder dass mein Gehirn nicht frühzeitig erlischt. Aber das ist so unbekanntes Terrain, da etwas zu wünschen kommt mir fast vermessen vor.

Was glauben Sie, was kommt nach dem Tod?

Ich bin wirklicher Agnostiker, ich weiß es nicht. Ich bin auch kein Atheist, weil der glaubt, er weiß, dass nach dem Tod nichts kommt. Nein, wir wissen gar nichts. Es gibt diffuse Hoffnungen in einem, klar. Es gibt da einen Kalenderspruch: ›Der Agnostiker glaubt, dass er nix weiß. Der Atheist weiß, dass er nichts glaubt.‹ Ich würde ja sagen: ›Der Agnostiker weiß, dass er nichts weiß und der Atheist glaubt nur, dass er nichts glaubt.‹ Das ist mein Zugang.

Was wollen Sie in diesem Leben noch machen ?

Ich freue mich, wenn Sachen passieren, mit denen ich Menschen erreiche, die einen Wert haben und würde es schön finden, wenn mir das weiterhin gelingt. Aber ich habe nicht das Ziel, einmal in einem Hollywoodfilm mitzuspielen. Sicher, es gibt wunderschöne Plätze auf der Erde, wo ich schon war und ich mich freue, wenn ich sie wiedersehe und es gibt sicher noch viel mehr wunderschöne Plätze, wo ich noch nicht war. Neuseeland etwa. Und ja, ich würde mir wünschen, dass Rapid einmal wieder Meister wird. Aber es kann sein, dass ich da noch sehr lange leben muss.