Bonjour, sind Sie manchmal in französisch-distinguierter Stimmung? Die Zahlen sagen ja, aus dem Begehren nach ein bisschen Savoir-vivre lässt sich ein Geschäft machen. Das zeigen französische Bäckereien, die sich in den letzten Jahren in den bürgerlichen inneren Bezirken Wiens mehren. Den Anfang machte das *tart’a tata in Neubau, dann kam Parémi in der Innenstadt, es folgten L’Amour du Pain in der Rue Otto Bauer (so nennt die dazugehörige Website die Otto-Bauer-Gasse), und, wenngleich weniger pastellfarben français als die anderen eingerichtet, das Ährnst in der Burggasse.
Die Läden brummen und sind immer voll. In den Gastgärten stehen Rattan-Bistrot-Stühle. Die Mehlspeisen sind auf Französisch angeschrieben, die Kundschaft und das Verkaufspersonal geben sich Mühe, einander in korrekter Aussprache zu übertrumpfen. Freilich, die Torten, Eclairs und Macarons schmecken gut. Hervorgehoben seien die quadratische Zitronentarte von L’Amour du Pain und der Moelleux au chocolat bei Parémi (den man sich wie einen dichten Brownie mit weichem Schokoladenkern vorstellen kann) sowie sämtliche Mandelcroissants. Das Geheimnis der französischen Küche ist Butter als Geschmacksträger, für süße oder salzige Speisen. Doch das alleine bringt Menschen noch nicht dazu, sechs Euro für ein Stück Gebäck auszugeben.
Die Leute, man merkt es, finden es très chic, hier zu sein, quer durch die Gesellschaftsgruppen, egal ob Steppjacke und Louis-Vuitton-Tasche oder kariertes Kurzarmhemd und Sneakers. Österreicher haben ein ambivalentes Verhältnis zu Frankreich. Man bewundert das Land, die Kultur, die Landschaft und die Kunst. Umgekehrt wurde ich von verwunderten Franzosen mehr als einmal despektierlich gefragt, warum ich trotz meiner passablen Sprachkenntnisse weiterhin in Osteuropa lebe, obwohl mir ein gutes Leben in Frankreich doch möglich sei.
Derlei Arroganz verursacht bei manchen Österreichern komplexbehafteten Trotz und Abwendung. Bei anderen, wie den Patisserie-Kunden oder mir, stellt sich ein masochistisches Buhlen um die Gunst der Franzosen ein, vergleichbar mit dem Versuch junger Teenager, vermeintlich coole Freunde älterer Geschwister für sich zu gewinnen. Im besten Fall kommt man in unbekannte Gefilde, in die man sich alleine nicht getraut hätte. Meist schaut dabei aber nicht mehr heraus als milder Paternalismus. Zum Trost genehmigen Sie sich eine weitere Tartelette für zu Hause. Oder Sie sagen einfach Törtchen und stehen zu dem, was Sie nun einmal sind. •