Was sonst verboten ist
Joseph Peinsipp kämpft sich als Nachwuchs-Wrestler ›Joe Bravo‹ durch die Keller Wiens. Dabei ringt er mit Männern wie Frauen – vor allem aber mit den Tabus einer politisch korrekten Gesellschaft.
Auf Joe Bravos Hintern steht in Blockbuchstaben fett sein Name gedruckt. Ein Herz aus Stacheldraht umrahmt ihn. 85 Kilogramm Kampfgewicht, die ›immer ready for Fetzerei‹ sind, wie es Bravo von sich behauptet, stecken in dem eng anliegenden Höschen. Mit den blondierten Haaren sieht er aus wie ein bulliger Maurice Ernst, der Sänger von ›Bilderbuch‹. Bravo setzt sich neben einen Gitarrenverstärker und beginnt die kniehohen Wrestling-Schuhe zuzuschnüren. ›Diese Woche hatte ich kaum Zeit zu schlafen‹, sagt er, während er über den Rahmen seiner gelb getönten Sonnenbrille blickt, ›auf der Bühne werde ich gleich ordentlich Dampf ablassen.‹
Der Backstagebereich im Keller des Gürtellokals ›Weberknecht‹ ist nicht viel größer als ein durchschnittliches Badezimmer. Schlagzeugtrommeln, Sporttaschen und der Geruch von Deo mit Schweiß stehen im Raum. Kurz vor Show-Beginn drängen sich darin fast ein Dutzend Menschen. Gong um Gong werden sie sich heute nach allen Regeln der Kunst auf die Rübe hauen – ohne einen echten Wettkampf. Bravo weiß nicht nur, wer seine Gegner sind, sondern auch, wer gewinnen wird. Der Veranstalter hat ein durchgetaktetes Drehbuch geschrieben, an das sich alle halten müssen. Dem Publikum ist das ebenso bewusst wie egal. Es geht den hier anwesenden gut 150 Fans und Sportlern um etwas anderes.
Bravo nimmt noch einen Schluck aus der Wieselburger-Flasche. Dann steht er auf und beginnt, seine Hände zu bandagieren. Die Veranstaltung von World-Underground-Wrestling (WUW) im November letzten Jahres ist etwa die zwanzigste, an der Joe Bravo teilnimmt. Und es sollen noch deutlich mehr werden: Der 23-jährige Niederösterreicher und Wahlwiener aus Rudolfsheim-Fünfhaus strebt eine Karriere als Unterhaltungssportler an. Im bürgerlichen Leben arbeitet Joseph Peinsipp, wie er abseits des Rings heißt, als Weinverkäufer. Er ist Sohn eines Sommeliers. Die Ausbildung an der Weinakademie im Burgenland bezeichnet er trotzdem als ›Hobby‹. Peinsipp priorisiert seine Karriere als Wrestler. Leben kann er davon aber noch nicht.
Wörter: 1954
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