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Wie es ist … als Quereinsteiger zu unterrichten 

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Fotografie:
Erik Pausch
DATUM Ausgabe September 2025

Als ich vor ein paar Jahren das erste Mal nicht als Schüler, sondern als Lehrer in eine Klasse gegangen bin, war mir sofort klar: Das ist eine völlig andere Welt. Als Schüler hast du ein paar Tage, bis du deinen Platz findest. Als Lehrer hast du fünf Minuten. In dieser Zeit entscheidet sich, ob die Kinder dich respektieren oder nicht.

Bisher wissen sie gar nicht, dass ich Quereinsteiger bin. Eigentlich habe ich BWL ­studiert und danach in der ­Finanzbranche gearbeitet. ­Alles schön und gut, aber ­erfüllt hat es mich nicht. Über Umwege stieß ich dann auf ›Teach For Austria‹, ein Programm, das Querein­steiger an Schulen bringt. Ich bewarb mich, machte die Vorbereitung und stand plötzlich vor einer Integrationsklasse im 15. Bezirk.

Mittlerweile bin ich kurz vor meinem vierten Jahr als Lehrer in einer Mittelschule und unterrichte Fächer wie Mathematik, Zeichnen, ­Turnen, Geografie, Biologie, Digitale Bildung und Werken. So verbringe ich viel Zeit mit den Kindern, kann ­Beziehungen aufbauen und fächerübergreifend arbeiten, nur Experte in all den Fächern bin ich natürlich nicht. Mein Vater hat sich zum ­Beispiel köstlich amüsiert, als er hörte, dass ich jetzt auch Werken unterrichte.

Der Schulalltag ist also auch für uns Lehrer eine Herausforderung. Wenn mehrere Kinder gleichzeitig Unruhe stiften, kann man sich leicht hilflos fühlen. Weil wir keine Schulglocken nutzen, habe ich zum Beispiel ein Gong-System eingeführt: Beim­ ­ersten Schlag müssen alle auf ihre Plätze, beim zweiten sollen sie ihr Unterrichts­material auf den Tisch legen und beim dritten ruhig nach vorne schauen. Wenn es nicht geklappt hat, beginne ich eben von vorne. 

Von meinen Kollegen wurde ich vom ersten Tag an als vollwertiges Mitglied aufgenommen. Wir sitzen schließlich alle im selben Boot.

Zu Beginn war ich überrascht, wie viele Schwierigkeiten das Thema Sprache macht. Mehr als 90 Prozent unserer Schüler haben Migrationshintergrund und nicht alle sprechen fließend Deutsch. Ich musste lernen, langsamer zu sprechen, Fremdwörter zu vermeiden, meinen Dialekt abzuschalten. Die Klasse, deren Vorstand ich bin, ist bunt gemischt: ­Syrer, Türken, Kroaten, Italiener und ein Österreicher. Themen wie Religion oder Politik bringe ich selbst nicht aktiv ein. Aber wenn die Schüler fragen, versuche ich, ihnen Antworten zu geben.

Als Quereinsteiger fällt mir auf, wie früh in Österreich entschieden wird, ob ein Kind ins Gymnasium
darf oder in die Mittelschule kommt. Mit zehn Jahren? Das ist viel zu früh. In anderen Ländern bleibt man länger zusammen und das tut allen gut. Außerdem habe ich das Gefühl, dass der Unterricht oft so gestaltet ist, dass die ›Schwächsten‹ mitkommen. Das ist wichtig, keine Frage. Aber die ›Starken‹ bleiben ­dabei manchmal auf der ­Strecke. Wir müssten ein ­System schaffen, das beide Seiten besser fördert.

Ob ich bis zur Pension an der Mittelschule bleibe? Eher nicht. Ich kann mir vorstellen, auch künftig mit Jugendlichen zu arbeiten, vielleicht in einem Mentoring-Programm oder einem anderen Bildungsbereich. Aber klassisch Mittelschule für die nächsten 40 Jahre, das wird es nicht sein. So gern ich es mache. •

Zur Person:

Erik Pausch (30) hat BWL studiert, in der Finanzbranche gearbeitet und unterrichtet nun als Quereinsteiger an einer Mittelschule im 15. Wiener Gemeindebezirk.

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