Wie es ist … der Nikolaus zu sein
Man wird es kaum glauben, aber Leute beginnen schon im Juli, mich als Weihnachtsmann oder Nikolaus zu buchen. Die Einsätze starten aber erst im November. Dieses Jahr war mein erster Termin in einem Einkaufszentrum, das seine Weihnachtsdekoration eingeweiht hat. Die meisten Besuche finden aber in privaten Haushalten statt – und dort natürlich besonders am 6. und 24. Dezember. An diesen beiden Tagen komme ich auf bis zu zehn Besuche pro Tag, insgesamt habe ich schon mehr als tausend Einsätze als Weihnachtsmann oder Nikolaus hinter mir.
Ein Auftritt bei Familien folgt meistens einem festen Ablauf. Er dauert rund zwanzig Minuten. Ich komme kostümiert zur Haustür. Die Kunden wählen, ob ich als Nikolaus oder mit rotem ›Coca-Cola‹-Weihnachtsmannkostüm auftreten soll. In Wien wird meist der Nikolaus gebucht, durch Migration aber auch immer öfter der Weihnachtsmann.
Die Eltern legen für meinen Besuch die Geschenke vor die Tür und bereiten einen Zettel vor. Darauf steht Unterschiedliches. Manche schreiben nur Positives über das Kind, andere nutzen ihn zur Erziehung. Dieser Zettel wandert dann in mein goldenes Buch, aus dem ich vorlese. Dabei muss ich vorsichtig sein, denn Kinder weinen schnell. Deshalb verpacke ich Kritik nach dem Sandwich-Prinzip: Erst etwas Positives, dann die Kritik, dann wieder etwas Positives.
Die Geschenke kommen in einen großen Jutebeutel. Manchmal sind es so viele, dass nicht alles hineinpasst. Dann bleibt ein Teil vor der Tür und die Kinder holen ihn dort ab. Den Auftritt beginne ich mit einer kurzen Geschichte, meist der vom heiligen Nikolaus. Dabei ist mir wichtig, den Gedanken der Nächstenliebe zu betonen. Manche Kunden, auch Eltern, haben ein falsches Bild vom Nikolaus und sehen ihn nur als Geschenkelieferanten.
Mit der Geschichte versuche ich dem entgegenzuwirken. Danach lese ich aus dem Buch vor, verteile die Geschenke, wir machen Fotos und singen ein Weihnachtslied. Gegen Ende des Auftritts wird es in meinem Kostüm dann langsam warm.
Die Reaktionen der Kinder sind sehr unterschiedlich. Jüngere Kinder hängen sich manchmal an mein Bein und wollen nicht, dass ich gehe. Ältere schauen oft lieber aufs Handy.
Ich werde auch für Firmenfeiern gebucht. Mein skurrilster Einsatz war in einem Swingerclub. Besonders amüsant fanden die Gäste den Moment, als ich sie bat, meinen ›goldenen Stab zu halten‹, während ich Geschenke verteilte. Das ging dann mit Anspielungen wie ›brav und artig sein‹ weiter. Meinen Nikolausmantel habe ich dort zum Glück angelassen.
Wenn ich mir selbst einen Tipp für meine Anfänge geben könnte, dann diesen: nicht hinsetzen. Kinder sind neugierig. Sobald ich sitze, klettern sie auf meinen Schoß und prüfen, ob der weiße Rauschebart echt ist.
Um in Weihnachtsstimmung zu kommen, brauche ich nur mein Kostüm. Mein eigenes Weihnachten beginnt am 24. Dezember nach dem letzten Einsatz, meist gegen 20 Uhr. Dann fahre ich erst zu meiner Familie. Wenn dort Kinder sind, spiele ich auch für sie den Weihnachtsmann. Erkannt hat mich noch niemand. Mit verstellter Stimme, Bart und Mütze bin ich wie eine andere Person. •
Alexander Stemer (39) hat während seines Studiums angefangen, als Nikolaus zu jobben. Jetzt betreibt er dafür seine eigene Agentur. Unter dem Jahr vermittelt er über seine Agentur Clowns und Zauberer.