Wie es ist ….. im Klimarat zu sitzen

Mitte Jänner hat der Klimarat das erste Mal getagt. Hundert für die österreichische Bevölkerung repräsentative, individuell zufällig ausgewählte Menschen sollen bundesweite Klima­schutz­maßnahmen erarbeiten. Madeleine Stranzinger ist eine von ihnen.

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Fotografie:
Stranzinger
DATUM Ausgabe November 2021

Begonnen hat der Klimarat für mich mit einer Schrecksekunde. Die Einladung im Oktober kam als ­behördlicher Brief, und zuerst dachte ich, ein Polizist hätte mich geblitzt. Bis dahin wusste ich gar nicht, dass es als Folge des Klimavolksbegehrens den Klimarat geben würde. Die Verarbeitung in der Großfamilie ging aber schnell, seit diesem Tag nennt mich ein Großteil davon Greta. Ursprünglich stamme ich aus Tirol, und dort blicken viele skeptisch auf die vermeintlich linksgrünen Wiener. Aber ich bin stolz ­darauf, im Klimarat zu sitzen.

Nach der Einladung und meiner Zusage folgte ein ­Auswahlverfahren. Zuerst landete ich auf der Warteliste. Erst um die Jahreswende habe ich meinen fixen Platz bekommen. Mitte Jänner bin ich mit meinem 13 Jahre alten Diesel nach Wels zum Bahnhof und weiter mit dem Zug. Am Hinweg habe ich noch befürchtet, dass der Klimarat ein mittleres Kuhfladen­springen werden könnte. Viel Trara um wenig Konkretes. Dem sollte aber nicht so sein.

Experten haben uns in einem großen Saal vom Podium aus erklärt, wie es um unseren Planeten steht. Das klingt schirch, habe ich mir gedacht. Ich lese viel Zeitung. Wie tragisch die Situation ist, habe ich aber erst an diesem Wochenende verstanden. Meine Generation hat das verbrochen, und wir dürfen uns nicht rausschleichen.

Zu Beginn haben wir auf Kärtchen geschrieben, was uns beim Thema Umweltschutz wichtig ist. Eine ­Zukunft für unsere ­Kinder zum Beispiel. All das hat ein Team zusammengefasst. Bis Ende Februar war es das einmal. Bei den nächsten ­Terminen werden wir Schwerpunkte wie Verkehr oder Landwirtschaft setzen und uns in Gruppen damit beschäftigen. Wenn wir unsere Handlungsvorschläge für Klimaneutralität bis 2040 erstellt haben, werden wir sie Mitte 2022 der Bundesregierung übergeben.

Der erste Termin im Jänner war im Grunde ein Kennenlernen. Wir saßen zu fünft an runden Tischen, sollten die Zukunft zeichnen und dis­kutieren. Alle zehn Minuten haben wir Sitzplätze ge­wechselt. Pausen wurden mit einem Gong eingeleitet. Das mag etwas unkonventionell klingen, aber als Juristin war ich auf vielen Seminaren, und der Klimarat sticht ­positiv hervor. Auch nette Bekanntschaften habe ich gemacht, Freundschaften geschlossen noch nicht. Und natürlich sitzen Leute im Klimarat, mit denen ich nicht kann. Das ist in Ordnung. Schließlich soll der Klimarat ein Querschnitt Österreichs sein, und ich muss nicht mit jedem ein Bier trinken.

Am Ende des letzten Tages haben wir meditiert. Wir sind ins Jahr 2040 gereist. Unsere Forderungen waren umgesetzt und das Klima gerettet. Alles war grün, Kinder haben im Garten gespielt, und die Straßen waren frei von Autos. Unsere Welt war entschleunigt und leise. Im kommenden Jahr werden wir das Fundament für diese Zukunft legen. Davon bin ich überzeugt. Meinen alten ­Diesel werden wir hier aber auch nicht ­sofort abschaffen. •

 

Zur Person:

Madeleine Stranzinger (52) arbeitet als Juristin in Oberösterreich. Seit Jänner sitzt sie im Klimarat: ein demokratie­politisches Experiment für mehr direktes Mitbestimmungs­recht in Sachen Klimapolitik.