Wie es ist ….. von der Spyware Pegasus überwacht zu werden

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Fotografie:
Máté Mile
DATUM Ausgabe März 2022

Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, dass ich nie geahnt habe, überwacht zu werden. In Ungarn lag schon länger etwas in der Luft. Hacker hatten mehrmals versucht, die Server meiner alten Redaktion zu infiltrieren. Um die Pressefreiheit stand es auch damals nicht gut. Aber auf meinem Mobiltelefon wäre mir nie etwas Verdächtiges aufgefallen. Das spricht für die Raffiniertheit von Pegasus, denn grundsätzliches Ziel der ­Spyware ist es ja, heimlich und unbemerkt in ein Smartphone einzudringen und sich Zugriff darauf zu verschaffen, einschließlich ­Kamera und Mikrofon.

Erst durch einen Kollegen erfuhr ich von der Überwachung. Szabolcs Panyi von der Rechercheplattform ­Direkt36 und selbst Opfer der Spionagesoftware kontaktierte mich. Drei Telefone, mein privates, mein Arbeitstelefon und das meiner Ex-Frau seien auf einer Liste überwachter Geräte, die Panyi recherchiert hatte. Auf seinem Smartphone fand man noch Spuren, wir hatten bereits neue Geräte.

Ich benutzte damals ­Android als Betriebssystem. Pegasus ist ebenso geeignet, Smartphones mit iOS und anderen Systemen zu infiltrieren und sie in Überwachungsgeräte zu verwandeln. Das israelische Herstellerunternehmen nso Group sagt, dass es Pegasus ausschließlich an Regierungen zur Terrorismusbekämpfung und Strafverfolgung verkauft. Massenüberwachung sei nicht das Ziel. Welche Staaten Pegasus anschaffen, verrät das Unternehmen nicht.

Frühere Versionen wurden häufig auf Smartphones durch Spear-Phishing installiert, bei dem ein Benutzer gezielt dazu verleitet wird, einen Link oder ein Dokument zu öffnen, das die Software heimlich installiert. Ein Aktivist aus den Vereinigten Arabischen Emiraten zum Beispiel erhielt per sms einen Link auf sein Telefon, dessen Inhalt neue Hinweise zu Menschenrechtsverletzungen liefern würde. In Wirklichkeit sollte die Nachricht Pegasus installieren.

Seit 2019 können Pegasus-Käufer die Spyware mit nur einem Anruf auf dem Ziel-Smartphone installieren, selbst wenn man nicht abhebt. Den Anruf können sie dann sogar noch aus der ­Anrufliste löschen. Der Be­sitzer des Geräts hat so kaum eine Chance.

Warum Pegasus auf mein Telefon kam, ist schwer zu sagen. Ich habe einmal in einem Artikel über einen mutmaßlichen Terroristen, der sich in Ungarn aufhielt, mögliche Versäumnisse der ungarischen Behörden recherchiert. Diesbezüglich habe ich Anfragen an die Regierung gestellt. Das scheint mir als wahrscheinlichster Grund dafür, warum sie mich überwachen ließen.

Grundsätzlich bin ich kein Investigativ-Journalist, der Korruption oder Amtsmissbrauch im großen Stil aufdeckt. Ich hatte nie etwas zu verstecken. Trotzdem schreckte die Regierung nicht davor zurück, meine Ex-Frau und mich mit Pegasus zu überwachen und tief in unsere Privatsphäre einzudringen. Ich werde versuchen, rechtlich dagegen ­vorzugehen. Die Öffentlichkeit darf so etwas nie ver­gessen und schon gar nicht akzeptieren. •

 

Zur Person:

Dávid Dercsényi (48) arbeitet seit letztem Jahr als Chefredakteur der Budapester Lokal-Zeitung Józsefváros újság. Davor war er bei anderen ungarischen Medien tätig. 2019 wurde er Opfer der Spionagesoftware Pegasus.

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