Zum Schwerpunkt: Editorial von Kuratorin Christiane Druml

·
Illustration:
Blagovesta Bakardjieva
DATUM Ausgabe Oktober 2021

Fragen unserer Zeit

Die letzten 70 Jahre waren geprägt von einer ungeheuren Zunahme an medizinischem Wissen, das unser aller Leben entscheidend verändert hat und viele gesellschaftliche Fragen aufwirft: Es geht um Fragen, die mit dem Beginn des Lebens verbunden sind, wie zum Beispiel in der Fortpflanzungsmedizin, die sich in einer nie vorstellbaren Art und Weise entwickelt und die Grundfesten der Entstehung des Lebens erschüttert hat. Weitere Dilemmata entstanden durch die vielfältigen Möglichkeiten der Intensivmedizin, der Organunterstützung und des Organersatzes, die das Lebensende in seiner Eindeutigkeit verschieben.

All dies betrifft unser Sein, es drängen sich aber weitere bioethische Themen auf, wie zum Beispiel die Forschung am Menschen, Datenschutz oder auch Künstliche Intelligenz und Robotik, aber auch die sich mehrenden alternativmedizinischen Konzepte, wie etwa die Homöopathie. All diese Debatten sind weltanschaulich belastet und werden sehr emotionell geführt. Nicht zuletzt gehen auch alle Maßnahmen zur Bewältigung der Corona-Pandemie mit heftigen Diskussionen einher. Ethik ist die Reflexion der Moral und hat vielerlei Zugänge, je nachdem aus welcher weltanschaulichen Perspektive man sich nähert.

So dokumentieren auch die Themen, denen sich die Oktober-Ausgabe von DATUM widmet, wie unterschiedlich umstrittene Fragen betrachtet werden können! Einige führen zu einer einhelligen Antwort, andere tun es nicht und werden es nie tun. Hier sind wir mit einem ›moralischen Pluralismus‹ konfrontiert, der gerade zur Professionalisierung der Medizin- und Bioethik und ihrer Interdisziplinarität geführt hat. Entscheidungen müssen jedenfalls getroffen werden, auch wenn der Weg zu einer angemessenen Lösung ethischer Kontroversen nicht einfach ist.

Ich freue mich über die ehrende Einladung, als externe Kuratorin gemeinsam mit der Redaktion von DATUM ›hot topics‹ des heutigen Ethikdiskurses auszuwählen. Hierbei geht es beispielsweise um die gerade in der Pandemie akute Frage des Kindeswohls: Kinder sind zwar bisher weniger schwer von einer Covid-19-Infektion betroffen, leiden aber besonders an Isolation. Wie kann ein Staat auf Schulpflicht zugunsten einer ›Unterrichtspflicht‹ verzichten und damit Kinder auf das heimische Umfeld reduzieren und ihnen einen geregelten sozialen Alltag vorenthalten ?

Eine andere Frage, an der sich die Meinungen spalten: Die seit dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zum assistierten Suizid entbrannte Diskussion zwischen dem Primat des Selbstbestimmungsrechts des Einzelnen und der Unverfügbarkeit des menschlichen Lebens stellt ein ethisches Dilemma unserer Zeit in klarster Weise dar. Auch der kontinuierliche Konflikt zwischen der Notwendigkeit, für die Forschung Daten zu sammeln, um diese zum Erkenntnisgewinn für uns alle wissenschaftlich auszuwerten, und den immer rigider werdenden Datenschutzbemühungen ist ein dringendes Thema der Gesellschaft.

Ethische Dilemmata wird es immer geben, zu ihrer Bewältigung sind Diskursfähigkeit und ­Respekt für andere Menschen, Meinungen und Lebenspläne gefragt. •

Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre  !

Ihre Christiane Druml

Sie können die gesamte Ausgabe, in der dieser Artikel erschien, als ePaper kaufen:

Bei Austria-Kiosk kaufen