›Eine Art Sterbeversicherung‹

Der Palliativmediziner Gian Domenico Borasio über Selbstbestimmung und Fürsorge am Lebensende.

DATUM Ausgabe Oktober 2021

Herr Professor Borasio, gemeinsam mit zwei Medizinethikern und einem Medizinrechtler haben Sie schon 2014 einen Gesetzesvorschlag für den Assistierten Suizid in Deutschland ausgearbeitet und diesen 2020 aktualisiert. Unter welchen Bedingungen soll Assistierter Suizid ihrer Meinung nach legal sein?
Es bedarf eines vernünftigen Ausgleichs zwischen dem Respekt vor der Selbstbestimmung am Lebensende und der Fürsorge zum Leben. Die meisten Suizidwünsche entstammen einer psychiatrischen Erkrankung, die Freiverantwortlichkeit ausschließt. Hier steht also die Behandlung der Krankheit an, nicht die Suizidhilfe. Andererseits kommen die allermeisten freiverantwortlichen Suizidwünsche von Menschen, die sich in ihrer letzten Lebensphase befinden und zudem schwerkrank sind. Auch hier ist größte Sorgfalt geboten. Die Gründe für die Suizidwünsche sind zu klären und es ist zu prüfen, ob Alternativangebote, etwa aus dem Bereich der Palliativmedizin, das Leiden der Betroffenen so weit lindern können, dass sie wieder eine Lebensperspektive für sich sehen.

Suizidhilfe ist keine Bagatelle. Die Prüfung der Freiverantwortlichkeit, das Aufzeigen von Behandlungsalternativen, die Erklärung über die Wirkungsweise des Suizidmittels und dessen Verschreibung sind Tätigkeiten, für die eine ärztliche Expertise zwingend notwendig ist. Wir schlagen daher vor, dass lediglich Ärzte Suizidhilfe durchführen sollten. Es ist zudem zu erwarten, dass ein ärztliches Hilfsangebot das Risiko von einsamen und gewaltsamen Suiziden verringert.

Was meinen Sie damit?
Menschen, die sterben wollen, werden oft allein gelassen. Ärzte mussten bisher aufgrund der drohenden recht­lichen Konsequenzen fürchten, ihren Beruf in Zukunft nicht mehr ausüben zu können, wenn sie Patienten zu diesem Thema auch nur beraten haben. Auch aus diesem Grund haben sich viele Pa­tienten nicht getraut, offen mit ihren Ärzten über ihre Suizidwünsche zu sprechen. Auf der anderen Seite kann ein unbegleiteter Suizid noch größeres Leid für die Betroffenen sowie für unbeteiligte Dritte bedeuten und belastet auch die Angehörigen besonders schwer.

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