›Ali versteht die Kraft von Worten‹
Vom Schulabbrecher zum ›Superhelden‹: Wie Watchado-Gründer Ali Mahlodji als Bühnenprediger Jugendliche und CEOs motiviert.
Wenn Ali Mahlodji mit einem Gast in seinem Büro sitzt, fährt er seinen Computer hoch, um das Video eines Lagerfeuers abzuspielen. › Lass dich nicht irritieren. Das gehört immer dazu‹, sagt er. Auf einem gefüllten Bücherregal ist seine Turnschuhsammlung aufgereiht, ein Haken ist überladen von Erkennungskärtchen verschiedenster Veranstaltungen, bei denen er gesprochen hat. Während er Fragen beantwortet, für die er stets sofort eine Antwort parat hat, legt er seine Füße auf den Tisch. › Ich muss bei langen Tagen zwischendurch immer ausspannen‹, meint er.
Mahlodji ist die Personifizierung der Start-Up-Szene. Er entspricht zwar nicht der klassischen Vorstellung eines Influencers – eines Anfang 20-Jährigen, der davon lebt, Produkte über Social Media zu bewerben – ist aber trotzdem für die Beschreibung des Phänomens prototypisch: Unternehmen sprechen ihm Markencharakter zu, er gibt – online wie offline – Lebenstipps und ist ein Role Model für junge Menschen. Mit 36 Jahren hatte er bereits seine Autobiografie veröffentlicht, jetzt ist er 38. Er hat das Erzählen seiner Lebensgeschichte vor zehn Jahren zu seinem Beruf gemacht, und so geht die Kurzfassung: Als Kleinkind fliehen seine Eltern mit ihm von Teheran nach Wien. Er ist ein Problemkind in der Schule, bricht sie ab. Dann ein Umbruch. Abendschule und Studium. Über 40 Jobs später gründet er eine Videoplattform zu Berufsorientierung: ›whatchado ‹. Heute ist er EU-Jugendbotschafter, hält international Vorträge und berät Unternehmen. Mahlodji ist zum vielgebuchten Mutmacher, einem Inspirator geworden, von dem alle im Superlativ reden. Aber wie ist es ihm gelungen, diesen Erfolg zu kreieren? Und kann er damit Vorbild für andere sein, Anstöße zur Veränderung geben? Oder verkauft er seine eigene Geschichte einfach nur als Feel-Good-Ware?
Auf der Bühne einer Jobmesse in Niederösterreich spricht Mahlodji mit seinem ganzen Körper. Mal inspirierend, mal ernst, mal lustig, mal persönlich. Nach seinem Auftritt wird Mahlodji seine Bühnenarbeit einen Balanceakt nennen. › Die einen reagieren eher auf Trauer, die anderen auf Humor. Um alle bei mir zu halten, ist das ein ständiges Hinfühlen.‹
Mahlodji verwendet Wörter wie › Oida ‹ und Phrasen wie › die Wahrheit ist, Leute ‹, spricht dazwischen von der neuesten Spielkonsole. Er lässt das Publikum mitten im Vortrag für ein Selfie aufstehen, bringt Aktivität in den Raum. › EURE ZUKUNFT BEGINNT SCHON HEUTE #Mut #Vertrauen ‹ steht auf einer seiner Folien. Und er nimmt Druck: › Lasst euch nicht stressen. Ihr seid gut genug, wie ihr seid. ‹ Der Raum ist still, die Schüler scheinen gebannt zuzuhören.
Dafür, was Ali Mahlodji macht, gibt es keine gängigen Berufsbezeichnungen. Key Note Speaker, Chief Storyteller, Chief Visionary, Trendforscher, EU-Jugendbotschafter, Coach, Entrepreneur – all das sind seine Jobtitel. Seine Botschaft ist letztlich immer die gleiche: Trau dich! Nimm dein Leben selbst in die Hand! Er untermauert diese Botschaft mit seinen Lebenserfahrungen, egal ob er über Wirtschaft, Bildung, Digitalisierung, Feminismus, Achtsamkeit, Diversität, Integration oder seit kurzem auch Nachhaltigkeit und Klimaschutz spricht.
Mahlodji selbst sieht sich als ein Opinion-Leader bei Erwachsenen, nicht aber als Influencer für junge Menschen. › Influencer sind Leute, die dir irgendeinen Scheiß verkaufen wollen, aber ich will nicht dein Geld. Ich will niemanden beeinflussen, im Sinne von: tu das, nimm meine Meinung an. Ich sage ihnen: hinterfrage dein Weltbild und hinterfrage aber auch mich! Ich gebe Gedankenanstöße zum Perspektivwechsel. Die Leute nehmen mit, was sie davon brauchen können ‹, so Mahlodji. Influencer sind, je nach Definition, Menschen › die aus eigenem Antrieb Inhalte zu Themengebieten in hoher und regelmäßiger Frequenz veröffentlichen und damit soziale Interaktion initiieren ‹ (Wirtschaftslexikon), oder Menschen, die › aufgrund starker Präsenz und hohem Ansehen in sozialen Netzwerken als Träger für Werbung und Vermarktung in Frage kommen‹ (Wikipedia).
Beide Definitionen treffen auf Ali Mahlodji zu, auch wenn er sich nicht auf soziale Medien beschränkt, sondern sein Geschäftsmodell eher auf Liveauftritte fokussiert ist. Sie sind seine Haupteinnahmequelle, aber er macht auf sozialen Medien auch Einnahmen durch Werbung als Testimonial. Mahlodji gibt an, nur Werbekooperationen einzugehen, bei denen er auch dahinter stehe und es eine tiefere Message gibt. Etwa für die Sozialversicherung, mit der er unter anderem für ein Werbevideo Kinder und Jugendliche mit Behinderungen befragt hat, die sich › tagtäglich großen Herausforderungen stellen ‹. Das Motto: › Challenge Yourself – jeden Tag ein Stück besser ‹. Auch das Forum Alpbach und eine feministische Kampagne der Automarke Volvo hat er schon beworben. Influencer bieten ein attraktives Werbeumfeld für Unternehmen, da sie dort ihre Produkte mit einer Message in Verbindung bringen können – sie passen perfekt zu dem Marketingtrend in Richtung Storytelling und personalisierter Werbebotschaften. Über die Tatsache, dass sie mit ihren Accounts werben und Geld einnehmen, sprechen viele Influencer ungern, denn Werbekunden ist es lieber, wenn Postings wie persönliche Empfehlungen wirken. Laut Mediengesetz Paragraf 26 ist eine Kennzeichnung als ›Werbung ‹, › entgeltliche Einschaltung ‹ oder › Anzeige ‹ vorgeschrieben, die in der Praxis aber oft übergangen wird, weshalb gerade die junge Zielgruppe der Influencer Werbecontent teilweise nicht als solchen identifizieren kann. Auch Mahlodji kennzeichnet seine Werbepostings nur mit › #ad ‹ – kurz für Advertisement – und betritt so eine rechtliche Grauzone. Wie immer man es etikettieren will, Ali Mahlodjis Business floriert: Führungsetagen großer Unternehmen wie der Lufthansa oder von Siemens buchen ihn für ein Honorar von 5.500 Euro , darin ist ein Briefing vorab, seine Vorbereitungszeit und ein Vortrag zwischen 60 und 90 Minuten inkludiert. Zugleich spricht er vor Jugendlichen – beispielsweise in Jugendgefängnissen und sogenannten Brennpunktschulen – weiterhin für Reisekosten, › weil es mir um die Botschaft geht, nicht das Geld‹, wie er selbst sagt. 2018 absolvierte Mahlodji, laut Eigenangaben, insgesamt 187 Vorträge, im vergangenen Jahr waren es ebenfalls etwas über hundert.
Martina Kapral leitet eine Agentur für Speaker und managt seit vier Jahren Mahlodjis Agenden. Für sie ist ein Keynote-Speaker mehr als ein Redner. Er müsse sein Herz offen haben, von seiner Botschaft überzeugt sein und so zu einem Perspektivwechsel inspirieren: › Ali versteht die Kraft von Worten, er berührt die Menschen, bewegt ihren Geist und nimmt auf eine Reise mit‹, sagt Kapral. Für das Gelingen der Reise bedient er sich eines populären Narrativs: dem des Opfers, das sich aus seinem Schicksal selbst befreit und letztendlich zum inspirierenden Helden wird.
Um seine Botschaft zu vermitteln, hat Ali Mahlodji eine Art Setzkasten aus kleinen Storytelling-Bausteinen erstellt, die er immer wieder neu zusammenbaut. Er verwertet alles zu einem Sinnbild. Vom Lehrer, der sagte, er stottere nur, weil er so viel Energie in sich habe. Von weißen Turnschuhen, die seine ersten nicht gespendeten waren und sein Markenzeichen wurden, › um niemals zu vergessen, woher ich komme‹ – ein Satz, der sowohl seinen jugendlichen Zuhörern als auch den jüngeren Mitgliedern der Führungsetagen, vor denen er spricht, aus Rap-Texten und Filmen über die Street Credibility von Ghetto-Bewohnern vertraut und stark emotional besetzt ist. Mahlodji erzählt auch von Kindern, die beim Gehen lernen jedes Mal Applaus ernten, wenn sie hinfallen, aber sich später keine Fehler mehr erlauben dürfen. Viele dieser Schablonen nutzt er schon seit Jahren immer wieder, teilweise mehrere Male täglich in beinahe gleichem Wortlaut, tritt stilistisch aber immer angepasst an sein Publikum auf: ruhig bei Ted-Talks, energisch vor Jugendgruppen, professionell bei Unternehmen.
Nach der Jobmesse hat Mahlodji einen Fernsehauftritt in Wien. Er fährt einen Tesla, trägt bequeme Hosen und einen Hoodie. Würde er alleine im Auto sitzen, würde er all seine Freunde durchtelefonieren oder geschäftliche Telefonate erledigen, erzählt er. Er würde Podcasts hören, oder › richtig derben, asozialen Hip-Hop‹. Stattdessen redet Mahlodji, er will › die Welt retten‹ mit seiner Arbeit, aus ihm wurde › vom Schulabbrecher ein Superheld.‹ Er versteht es, sich selbst zu verkaufen wie andere Leute einen Sportwagen oder einen Flachbildfernseher. Und liefert dabei rund um die Uhr positives Denken.
› Bewusste Lebenshaltung‹, nennt es Mahlodji. Bei ihm werden Krisen zu Lernerfahrungen, Schwächen zu Stärken. › Klare Entscheidung, nicht dort hinzugehen, wo es Leid gibt‹, erklärt Martina Kapral seine Philosophie. › Manche fühlen sich von diesem permanenten Happinesszugang genervt, aber das ist die Rolle, die Mahlodji für sich gefunden hat‹, so Thomas Weber, einer seiner ehemaligen Kollegen aus Mahlodjis Zeit als Projektleiter in der Agentur Superfi.
Um das Phänomen Mahlodji zu verstehen, hilft vielleicht eine kurze Einordnung: In den USA ist die Ideologie des › Positive Thinking ‹ schon länger ein eigener Geschäftszweig im Bereich der Lebensberatung, der jährlich Milliarden Dollar Umsatz abwirft und sich eine quasi-religiöse Gefolgschaft geschaffen hat. Auch im deutschen Sprachraum wird die-
se praktische Philosophie seit einigen Jahren immer populärer und professioneller vermarktet. Dass ihre zentrale Botschaft – Erfolg und Glück seien in erster Linie Frage der Einstellung – soziologisch durch die klare Datenlage zur Vererbung von sozialem Status und Lebenschancen de facto widerlegt ist und kritische Psychologen warnen, dass positives Denken um jeden Preis sogar krank machen kann, wenn das suggerierte Selbstbild und die Realität nicht zusammenpassen wollen, tut dem ökonomischen Erfolg des Prinzips keinen Abbruch.
Mahlodji verkörpert diese Überzeugung, die sein eigener Erfolg beglaubigt, wie kein anderer in Österreich. Er kennt die kritischen Studien zum Thema und sagt dennoch: › Laut der Statistik müsste ich unter einer Brücke schlafen. Ich habe noch nie in meinem Leben einen Menschen erlebt, der nicht nach vielem Hinfallen dort angekommen ist, wo er hin wollte. ‹ Manche hätten es aufgrund ihres sozialen Status‘ schwerer, aber jeder könne sich daraus befreien, ist er sich sicher. › Ich will Kinder ermutigen, nicht zu dieser Statistik zu werden, anstatt über sie zu jammern und zu vermitteln: aus dir kann ja nichts werden. ‹ Ein Schlüsselmoment für Mahlodjis Erfolg ist dabei das Herstellen von Nähe, wo normalerweise Distanz ist: Vor seinem Vortrag hat Mahlodji mit dem Bühnentechniker geredet, als würden sie seit Jahren zusammenarbeiten. Er beginnt in Aufzügen Gespräche mit Menschen, die er wohl nie wieder sehen wird. Er googelt die anderen Gäste vor TV-Auftritten und spricht sie dann direkt auf ihre Geschichten an. Er zeigt Fotos seiner Tochter her, scherzt über seine Glatze, stellt sich der Moderatorin als großer Fan vor, hat viele Fragen und noch mehr Antworten.
Mahlodji gibt nichts auf Förmlichkeiten und ist mit jedem sofort wie selbstverständlich per Du – etwa auch mit Alt-Bundespräsident Heinz Fischer. Als er das TV-Studio verlässt, umarmt er einen der Gäste, den er eben erst kennengelernt hat, zur Verabschiedung, macht ein gemeinsames Selfie und tauscht Telefonnummern aus, › um einmal gemeinsam zu quatschen und abzuhängen‹. Vielleicht wirkt das deshalb so gut, weil Mahlodji damit das perfekte Gegenbild zur verbreiteten Angstvorstellung des Migranten als eines kulturell nicht anschlussfähigen Anderen schafft? Mahlodji ist nie der › Andere ‹, geht mit jedem ins offene Gespräch.
Dabei ist für ihn scheinbar nichts zu privat. Er erzählt Fremden im dritten Satz von dem Burn-Out, das er vor der Gründung von › whatchado ‹ hatte; spricht auf der Bühne von seiner krebskranken Mutter, die letztes Jahr verstorben ist; erzählt von Existenzangst, die einmal sein größter Antrieb war und auch heute manchmal aufkommt. › Nachdem ich whatchado verlassen habe, bin ich heulend am Küchenboden gesessen und habe mein Netflix- und Spotify-Abo gekündigt, weil ich dachte, jetzt werde ich wieder arm.‹
In einem sind sich alle, mit denen man über Mahlodji spricht, einig: Seine unerschütterlich positive und kommunikative Art ist keine Fassade oder rein strategisch. Es ist eher eine gelungene Mischung aus Authentizität und Inszenierung, derer er sich selbst mitunter nicht einmal bewusst sei: › Ich kenne ihn seit über zehn Jahren und bin noch immer manchmal irritiert und denke: Das kann doch nicht ernst sein. Aber ich habe keinen Anlass zu denken, dass er nicht einfach so ist‹, meint etwa Niko Alm, der Mahlodjis Chef bei Superfi war und heute Geschäftsführer des Mediums Addendum ist.
Die Frage nach Künstlichkeit und Echtheit ist eine, die alle Influencer aufwerfen. Die Möglichkeit, sich auszutauschen, das Gefühl, sie wirklich zu kennen, sowie Nahbarkeit sind Teil ihres Erfolgsmodells. Mahlodji spricht mit jungen Menschen nicht von oben herab, › wie ein Erwachsener ‹, sondern auf einer Ebene, und findet dabei einen Ton, mit dem er zu ihnen durchdringt. Influencer wie er sind greifbar, Stars wie du und ich, die die Probleme und den Alltag ihres Publikums verstehen – und sich dennoch wie eine optimierte Version unseres Selbst geben, zu der wir auch werden können, wenn wir ihrem Beispiel folgen, so das Versprechen. › Menschen wollen einfach das Gefühl haben, gesehen zu werden. Das gebe ich ihnen‹, so einfach formuliert es Mahlodji.
Im Geschäftsleben eckt Ali Mahlodji mit seiner Art mitunter auch an. Denn er widersetzt sich professionalisierten und hierarchischen Kollegenbeziehungen. Er interessiert sich nicht für die klassischen Ziele großer Unternehmen, die sich auf Gewinnmaximierung und ihren Businessplan konzentrieren, für › höher, schneller, weiter ‹, wie er es selbst nennt. Das ist mit ein Grund dafür, dass Mahlodji › whatchado ‹ verlassen und eine › Ich-AG ‹ gegründet hat: letztlich ist er kein Geschäftsmann im klassischen Sinn – und will es auch nicht sein. Er lässt lieber Dinge treiben, vertraut anderen einfach so, fokussiert sich auf Beziehungen, sagt auch mal Termine ab, wenn ihm etwas Wichtigeres dazwischen kommt, und lagert aus, was er selbst nicht kann.
Damit das funktioniert, hat er sich bewusst mit Menschen umgeben, die auch › on-the-flow ‹ arbeiten und zwischen Arbeit und Freizeit nicht streng trennen, so erklärt er. Martina Kapral zum Beispiel kann gut mit dieser Art. Sie beendet ihre E-Mails mit › Ich sende Ihnen ein Lächeln ‹, veranstaltet › Inspirationsnächte ‹ und weiß zu jeder Sekunde, wo Mahlodji ist, weil sie Zugriff auf seinen Terminkalender hat, der Privates und Berufliches nicht trennt. Für Mahlodji gibt es keine Kollegen, sondern nur Freunde. Kapral ist eine von ihnen, mit der er auch mal samstags Geschäftliches plant oder am Sonntag einfach so frühstücken geht.
Eine Maschine ist Ali Mahlodji nicht: Früher kam jedes Mal nach seinen Auftritten der Einbruch, völlige Ermattung, erzählt er. Er habe mittlerweile aber gelernt, › achtsam mit Geist und Körper umzugehen‹. Er wisse genau, was er braucht, um durchzuhalten. Trotzdem rennt er manchmal an und kann nicht mehr. › Martina, ich glaube, ich brühte etwas aus‹ – wenn seine Agenturleiterin diese Worte hört, weiß sie: Mahlodji muss runterfahren und sich eine Weile zurückziehen.
Im Auto nimmt er immer wieder Schlucke von seinem Sellerie-Smoothie – der gibt ihm nachhaltig Energie, ein zuckerhaltiges Getränk hingegen nicht, sagt er. Er ist einer, der sich mit Buddhismus beschäftigt, Schweigeseminare besucht, meditiert, Atemübungen macht, Bücher liest, um zu lernen, sein inneres Kind zu heilen, und einen Experten für Emotionsregulation besucht, um mit seiner inneren Wut umzugehen. Die Wut ist einer von Mahlodjis Antrieben. Einer, den er eigentlich loswerden will, › weil sie dich innerlich zerfrisst‹. Die Wut auf jene, die ihm gesagt haben, er könne es nicht schaffen, die ihn ›Brauner ‹ und › Tschusch ‹ genannt oder über sein Stottern gespottet haben. All jenen wollte er es beweisen.
Als sein Name bei der Anmoderation im TV-Studio falsch ausgesprochen wird, zuckt Mahlodji dennoch nicht mit der Wimper. Er ist gerne › einfach nur der Ali, weil meinen Nachnamen sowieso kein Schwein aussprechen kann‹. Früher spielte er im Fußballkäfig mit Jugendlichen, die Ausländer blöd, aber ihn eh voll super fanden. Und er sieht sich auch selbst nicht als › Fremder ‹. Er ist österreichischer Staatsbürger, spricht Persisch mit österreichischem Akzent, stand früher oft in Lederhosen auf der Bühne. Mahlodji spielt mit Klischees, mal wiederlegt und mal bestätigt er sie, zum Beispiel, wenn er scherzhaft erzählt, er rede so viel wegen seines persischen Bluts.
Fremdenfeindliche Kommentare hört er aber mittlerweile ohnehin nur noch selten. › Was sollen sie mir auch vorhalten? Ich kann besser Deutsch als sie, habe Jobs geschaffen. Egal was sie sagen, ich würde sie einfach mit Argumenten zerstören.‹ Er glaubt nicht an Systemkritik, sondern will das System lieber langsam von innen heraus verändern.
Deshalb gab Mahlodji sogar dem rechtsradikalen Magazin Alles Roger? ein Interview. Er war 2012 der erste Integrationsbotschafter von Sebastian Kurz in dessen Rolle als Integrationsstaatssekretär, und tourte mit ihm durch österreichische Schulen. Am 1. Mai 2018 stand er mit Matthias Strolz auf der Bühne. Zugleich gibt er an, bis jetzt die Grünen, die SPÖ und die Neos gewählt zu haben. Mit politischen Stellungnahmen lehnt er sich nie zu weit aus dem Fenster.
Um an den Punkt zu gelangen, an dem Mahlodji heute steht, hat es vor allem zwei Dinge gebraucht: Fokus und Hartnäckigkeit. Bei einem Großunternehmen für Software und Hardware hat er sich beispielsweise laut Eigenangabe 70 Mal beworben, ist damit aufgefallen und wurde letztendlich zum › Global Engagement Manager ‹. Wenn Mahlodji sich etwas in den Kopf gesetzt hat, gibt er alles, um es zu bekommen.
Nach dem TV-Auftritt erzählt er von einem anderen Studiotermin vor einigen Jahren, bei dem auch Johann Gudenus einer der Gäste war. Er habe davor mit ihm über dessen Kinder und die Schulferien geplaudert. Er habe gewusst: im Studio würden sie gegensätzliche Meinungen vertreten und habe daher das Gespräch auf eine persönliche Ebene gezogen, während alle anderen Gäste sich demonstrativ von jenen, gegen die sie in der Sendung argumentieren würden, distanziert hätten. Gudenus habe ihn während der Aufnahme deswegen nicht einmal angegriffen, sagt Mahlodji.
Nach seinem Vortrag in Niederösterreich wird er von einer Traube Schüler umringt. Viele von ihnen wollen Selfies mit ihm machen – die neue Art der Autogramme. Mahlodji führt mit ihnen kurze Gespräche, legt Arme um Schultern, zeigt Victory-Zeichen, grinst in Handykameras. › Ich dachte, was soll schon aus mir werden, schließlich habe ich die Schule abgebrochen. Und dann kamst du und ich hab auf einmal gesehen, dass es anders geht. ‹ Nachrichten wie diese, die er auf Social Media geteilt hat, erreichen Mahlodji oft noch Jahre später von Jugendlichen, die durch seine Vorträge ermutigt wurden, ihren Träumen zu folgen, erzählt er.
Vom Stotterer zum Sprecher vor tausenden Menschen, vom gemobbten Außenseiter zum Liebling aller, vom › Systemfehler ‹ – wie er sich selbst bezeichnet – zum Vorbild. Die Frage, ob er überkompensiere, wird die erste und letzte des Tages sein, bei der Mahlodji kurz stockt, nicht sofort eine Antwort hat und sich mit der Phrase › Das ist eine gute Frage ‹ Zeit verschafft. Doch dann widerspricht er dem Verdacht entschieden. › Was ich mache, war einfach, was mir Spaß gemacht hat und ich gut konnte.‹ Wochen später wird er sich um 6:30 morgens per Mail melden – er habe durch diese Frage realisiert, wie oft er seine eigenen Bedürfnisse vergesse und wolle sich dafür bedanken, steht darin. Wieder einmal hat er Nähe geschaffen.
Bevor Mahlodji von seinem Büro aus zu einem weiteren Vortrag aufbricht, verschenkt er pinke Socken, auf denen kleine Superhelden abgebildet sind, dazu ein Text: › Be your own superhero ‹ und › Inspired by Ali Mahlodji ‹ steht dort. •