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Datum Talente

›Bei den Lemuren haben die Damen das Sagen‹

Alfred Mair, 54, ist Tierpfleger im Zoo Schönbrunn in Wien-Hietzing.

Interview:
Eirik Sedlmair
·
Fotografie :
Ursula Röck
DATUM Ausgabe April 2018

Warum sind Sie Tierpfleger geworden?

Ich bin in einem kleinen Ort aufgewachsen. Da gab es vier Bauern, einen Greißler und zwei Wirtshäuser – und ständig Tierkontakt. Über einen Bekannten hat sich später die Möglichkeit eröffnet, hier im Zoo zu arbeiten.

Wie viel verdienen Sie?

Das Anfangsgehalt liegt bei 1250 Euro, aber wegen meiner langjäh­rigen Zugehörigkeit verdiene ich zirka 2000 Euro.

Warum arbeiten Sie mit Affen? ­Faszinieren die Tiere Sie?

Ja, weil sie eine Ähnlichkeit mit uns haben. Wenn du dir anschaust, wie ein Orang-Utan mit seinem Jungen umgeht und dann eine Menschenfrau mit Kind vor dir hast, siehst du kaum Verhaltensunterschiede. Oder die Gruppendynamik: Diese Katta-Lemuren hier zum Beispiel leben matriarchalisch, hier haben wirklich die Damen das Sagen. Die Herren sind das Allerletzte. Der Gegenpart ist der Schimpanse, der männlich Dominante, der aber nur wirklich dominant sein kann, so lange ihn die Weiber lassen.

Haben Sie ein Lieblingstier?

Ja, das entwickelt sich. Bei mir ist es Nonja, ein Orang-Utan-Weibchen, das kenne ich jetzt seit 36 Jahren. Als Lehrling im Affenhaus bin ich schon mit ihr durch den Tiergarten spazieren gegangen, da war sie gerade einmal drei, vier Jahre alt. Wir kennen uns und schätzen einander.

Aber Sie können ja nicht mit Nonja reden. Wie funktioniert diese ­Kommunikation?

Wir erkennen zum Beispiel, wenn ein Orang schlecht drauf ist und beim Training nicht mitarbeitet. Umgekehrt beobachten sie uns genauso. Sind wir lustig drauf? Das erkennen die sehr wohl.

Wie schafft man es, dass die Tiere sich nicht langweilen?

Die beste Beschäftigung ist innerhalb einer funktionierenden Gruppe die Jungenaufzucht und das Sozialleben mit einer Rangordnung. Je mehr aber ein Tier zum Einzelgängertum neigt, desto mehr bin ich bemüht, es zu beschäftigen: etwa, indem ich Futter verstecke oder mit neuen Sachen komme. Man glaubt nicht, was ein blödes Telefonbuch bei Orangs macht. Die sind dann wirklich acht Stunden damit beschäftigt, jede Seite einzeln umzublättern, auch wenn sie es nicht lesen können.

Wenn man über Zoos spricht, ist ja auch schnell von Gefängnis oder nicht-artgerechter Haltung die Rede. Wie sehen Sie das?

Differenziert. Ich kann den Zoo-Gegnern immer nur sagen: Es braucht eine Institution, die ein gewisses Genpool erhält, und auch seinen Bildungsauftrag hat. Wir haben Abertausende an Schulgruppen hier drinnen. Man probiert, etwas weiterzugeben.