Oft frage ich mich, wie ich das geschafft habe: Als Gymnasiast wohnte ich in der Nähe der Schmelz unterhalb der Schweglerstraße. Die Schule war in der Diefenbachgasse. Wenn ich nicht mit der Linie 9 fuhr (die damals vom Gürtel in die Sechshauserstraße einbog), ging ich zu Fuß: die Schweglerstraße hinunter, über die Westbahnbrücke, Mariahilferstraße, Reindorfgasse, Sechshauserstraße und dann durch ein kleines Gasselwerk in die Diefenbachgasse.
Für meinen heutigen körperlichen Zustand ist das die Durchquerung unendlicher Weiten. Damals war es nicht der Rede wert, es war eine Selbstverständlichkeit, die manchmal auch die Variante mit Dr. Bors, meinem Turnlehrer, zuließ: Er klaubte mich hin und wieder auf der Strecke auf und nahm mich in seinem Volkswagenbus zur Schule mit.
Mit dieser Schule hatte ich jüngst ein Erlebnis. Nach fast 50 Jahren war ich wieder dort gewesen. Zunächst stand ich vor einem architektonisch verbesserten Gebäude und die Verbesserung schien mir notwendig und zugleich verlogen zu sein. Nach so langer Zeit ging mir das Gebäude immer noch nahe: Klassenzimmer, Mauern, Fenster und Stiegenaufgänge – das waren erlebte Bedeutungen. Die Nostalgie, die das Gebäude in mir auslöste, kam aus der einfachen Tatsache, dass ich nicht mehr hinein muss, dass ich frei war, auch draußen zu bleiben.
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