›Der Begriff Klimaschutz ist ein Schmarrn‹
Was Christoph Hofingers Gesichtszüge über das Klima verraten.
Christoph Hofinger setzt sich an den Tisch im Café Felzl in der Lerchenfelderstraße, und es ist mir unbegreiflich, wie er weniger als zwei Wochen vor der Nationalratswahl diese Ruhe ausstrahlen kann. Es ist halt nicht seine erste Wahl. Seit der Bundespräsidentenwahl 1998 haben wir jede Bundeswahl, seit 2008 auch jede Landtagswahl für den ORF hochgerechnet. Mit ›wir‹ meint er das SORA–Institut, das er vor 25 Jahren gemeinsam mit Günther Ogris gründete. Unsere gemeinsame Geschichte begann mit einer Meuterei.
Anfang der 90er-Jahre studierte Hofinger am Institut für Höhere Studien, doch dort genügte der Statistik-Professor den Ansprüchen der Studenten nicht. Wir bestreikten den Unterricht, und so holte das IHS Günther Ogris an Bord. Ich wusste, dass er Hochrechnungen durchführte, und sagte ihm, ich würde da gern mitmachen. Also war Hofinger ein sehr talentierter oder einfach nur ein selbstbewusster Student? Die Antwort fällt zunächst nonverbal aus, es ist ein spitzbübisch verschmitztes Lächeln. Nach einer langen Pause schlägt der Sozialforscher durch: Wir haben uns wohl gegenseitig viel zugetraut, und diese Hypothese hat sich in den folgenden 25 Jahren als sehr tragfähig erwiesen. Das Lächeln ist immer noch da.
Die erste gemeinsame Hochrechnung bei einer Landtagswahl wenig später haben die beiden übrigens ziemlich vermasselt. Für unsere weitere Zusammenarbeit war es ein Glück, mit einem Desaster zu beginnen – da weiß man gleich, was die Beziehung aushält.
Mit einem Wahlforscher darüber zu sprechen, was ihn in seiner beruflichen Vergangenheit überrascht hat, ist ein sinnloses Unterfangen, denn im Nachhinein erscheint dem Sozialforscher ohnehin rein gar nichts überraschend. Eine der seltenen Ausnahmen lieferte die vergangene Wahl zum Europäischen Parlament. Man ging davon aus, es würde bei dieser Wahl um Nationalismus, Migration oder ›mehr Europa‹ gehen. Stattdessen wurde es eine Klimaschutzwahl – das wurde den meisten erst in der Wahlnacht bewusst.
Das bringt uns zum alles überstrahlenden Thema dieser Tage, und es ist bemerkenswert, wie Hofingers Lächeln einer tiefen Ernsthaftigkeit Platz macht. Kann es sein, dass das Klimathema bald wieder von Platz eins der Agenda verdrängt wird? Es ist möglich. In Anbetracht der Unmengen an Stoff, den dieses Thema zwangsläufig in den kommenden Jahren liefern wird, würde ich die Hypothese vertreten: Das Thema Klima wird in der obersten Liga bleiben. Was macht das Klimathema derzeit so relevant – die wissenschaftlichen Erkenntnisse oder die subjektiven Erfahrungen, wie etwa die Rekordzahl an Tropennächten in Wien? Hofinger denkt nicht lange nach. Gerade als Wissenschaftler muss ich sagen: Ich fürchte, die wissenschaftliche Forschung hat relativ wenig Einfluss – denn die sagt bereits seit 30 Jahren, was da auf uns zukommt. Aber die Forschung lernt langsam zu formulieren, welchen Effekt der Klimawandel hat. Das Problem ist nur, dass die Menschen nicht so gut darin sind, Wahrscheinlichkeitsaussagen zu verstehen – und darum geht es letztlich. Entscheidend ist für ihn, die drohende Katastrophe in ein Narrativ zu bringen. Der Begriff Klimaschutz ist ein Schmarrn, weil er viel zu abstrakt und unbelebt ist. Es muss uns eine Erzählweise gelingen, bei der es nicht nur um Empathie mit der Generation unserer Kinder und Enkelkinder geht, sondern auch darum, dass die Schritte dorthin uns selbst mehr Lebensqualität bescheren. Dann zeigt er um die Ecke des Café in die Zieglergasse, wo in diesem Hitzesommer eine ›coole Meile‹ errichtet wurde. Das ist doch eine herrliche Sache! Und plötzlich ist das Lächeln wieder da.