Der Flakon als Trophäe
Jojo Gronostay erforscht mit seinen Arbeiten die Schnittstelle von Kunst und Konsumwirtschaft.
Es war ein ungewohnter Anblick, der sich den Passanten in der Meidlinger Hauptstraße in Wien in den vergangenen Wochen bot: An Straßenlaternen fixierte Schwarzweiß-Fotografien, die irgendwie vertraut und bei näherem Hinsehen doch verwirrend wirken. Was inmitten der belebten Einkaufsstraße zunächst als eine modern designte Werbekampagne wahrgenommen werden konnte, ist in Wahrheit die Serie ›An impressionistic travel journal‹ von Jojo Gronostay. Der Künstler wurde 1987 in Hamburg geboren, wuchs in Deutschland auf und lebt und arbeitet heute in Wien. Seine künstlerische Arbeit ist vielschichtig, sowohl inhaltlich-konzeptionell als auch, was die Darstellungsform betrifft.
Bei der auf den folgenden Seiten in Auszügen vorgestellten Serie arbeitet Gronostay mit digitalen Collagen. Als Basis dient ihm das Parfum als vielseitiges Sujet: Luxusgut, Identitätsträger oder eine Projektionsfläche für authentische Sehnsüchte und solche, die erst in Marketingabteilungen von Modekonzernen kreiert wurden.
Aus Fotografien kleiner Parfumfläschchen baut er neue Körper, die ihrerseits wieder an afrikanische Skulpturen aus Ebenholz erinnern. Die Nachwirkungen der Kolonisation und ihre heutige Ausprägung sind ein immer wiederkehrendes Thema in Gronostays Arbeit, dessen Vater aus Ghana stammt.
Die Parfumflakons, aus denen die Collage-Skulpturen geformt werden, stammen von Privatpersonen. Gronostay sammelt sie zuvor für jede Ausstellung in der jeweiligen Umgebung. Die Flakons für seine in der Meidlinger Hauptstraße ausgestellten Werke hat er also in Meidling zusammengetragen – gesucht und gefunden über die Plattform Willhaben. Damit gelingt es Gronostay, die Perspektive der Kolonisatoren vergangener Jahrhunderte zu übernehmen und zu persiflieren: Auch er entdeckt auf seinen Expeditionen in unbekannte Territorien Objekte und sammelt sie wie Trophäen. Mit den digitalen Skulpturen, die er daraus kreiert, schlägt er instinktiv eine assoziative Brücke zum Kolonialismus von einst.
Jojo Gronostays Arbeiten wurden mehrfach in Gruppen- und Einzelausstellungen international ausgestellt und für wichtige Awards wie den Kunsthallen-Preis 2021 und den European Month of Photography Award 2023 nominiert. Darüber hinaus startet Gronostay ab Herbst sein Residency-Programm von ISCP in New York.
Die auf den folgenden Seiten abgedruckte Serie wird ab 17. Juli 2023 im Rahmen der Ausstellung ›Über das Neue – Teil 2‹ im Belvedere 21 retextualisiert zu sehen sein. •
Jojo Gronostay
Geb. 1987 in Hamburg, lebt und arbeitet in Wien, Studium an der fotoK Wien und an der Akademie der bildenden Künste Wien
www.jojogronostay.com
Ausstellungstipp:
Über das Neue – Teil 2
13. Juli – 15. Oktober 2023
Belvedere 21
Arsenalstraße 1, 1030 Wien