Die Qual der Wahl
Die FPÖ will als einzige Parlementspartei eine zweite Amtszeit von Bundespräsident Alexander van der Bellen verhindern. Vieles spricht dafür, dass sie die Juristin Susanne Fürst ins Rennen um die Hofburg schickt. Was erwartet sich die Partei von ihrer Kandidatur?
Die Frauenstimme am anderen Ende der Leitung klingt verbindlich. Worum es geht, ist klar. Ebenso, dass sich die folgende Unterredung zwingend im Kreis drehen wird. Susanne Fürst hätte es sich einfach machen und die Anfrage ignorieren können. Oder an die Presseabteilung verweisen; ein, zwei Nona-Sätze übermitteln lassen. Aber die FPÖ-Abgeordnete ruft zurück, redet offen und ohne vorgestanzte Phrasen, sagt oft ›Sowohl als auch‹ und ›Ja, aber‹, wenn sie ihre politischen Standpunkte verteidigt. Knallige, zugespitzte Sager sind ihre Sache nicht. ›Ich bin ein nachdenklicher Mensch‹, sagt Fürst. ›Meine Rolle sehe ich nicht in der großen Show und im Sprücheklopfen.‹
Das sind bemerkenswerte Sätze für die präsumtive Präsidentschaftskandidatin einer rechtspopulistischen Partei. Im April hat Parteichef Herbert Kickl sie explizit als besonders präsidiabel erwähnt. Das ist ein deutlicher Hinweis, dass es ernst werden könnte.
Wer in die enge Wahl für eine so wichtige Aufgabe kommt, spielt nach den ungeschrieben Gesetzmäßigkeiten der Politik das eigene Interesse herunter, macht sich rar und schweigt am besten ganz. Fürst sagt: ›Noch ist nichts entschieden. Ich habe mich nicht beworben und dränge mich nicht vor.‹ Das klingt, als ob sie aus Höflichkeit vor dem Buffet abwartet, ob noch jemand anderer das letzte Lachsbrötchen haben möchte. Aber ist, wer sich populistischen Sprüchen konsequent verweigert, geeignet, um für eine populistische Partei den Wahlkampf um das höchste Amt im Staat zu führen? Das lässt die FPÖ, so ist zu hören, derzeit in Fokusgruppen abtesten.
Welchen Schluss die Freiheitlichen daraus ziehen, wollten sie auch nach der offiziellen Verkündigung von Alexander van der Bellens Wiederkandidatur zunächst nicht bekannt geben. Zu Redaktionsschluss stand lediglich fest, dass die FPÖ eine eigene Kandidatin oder einen eigenen Kandidaten ins Rennen um die Hofburg schicken will – der 2016 in einer Stichwahl unterlegene Norbert Hofer für diese Aufgabe aber nicht mehr zur Verfügung steht. Alle anderen im Nationalrat vertretenen Parteien hingegen werden den Amtsinhaber zumindest indirekt unterstützen. Sie sind mit seiner Amtsführung grosso modo zufrieden und wohl auch nicht unglücklich mit der Aussicht, sich eine teure Kampagne zu ersparen, für die es keine Wahlkampfkostenrückerstattung gibt.
Bei der FPÖ sieht das anders aus. Zum einen haben die Freiheitlichen mit Van der Bellen eine Rechnung offen, weil dieser im Hintergrund eine maßgebliche Rolle beim Platzen der türkis-blauen Regierung nach Bekanntwerden des Ibiza-Videos gespielt hat. Zum anderen aus Prinzip: Populismus lebt von der Reibung, vom deftigen Schlagabtausch mit dem Establishment. Wir gegen die anderen: Eine Präsidentschaftswahl gegen einen übermächtigen Amtsinhaber bietet der Partei über viele Wochen eine Bühne für ihre Anliegen. Das ist eine Chance, die man sich gemäß den Spielregeln des Populismus nicht entgehen lassen darf. Das Problem dabei: Die FPÖ kann fast nur verlieren. Und das in vielerlei Hinsicht.
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