Die Schattenkanzlerin
Bei der Niederösterreich-Wahl muss Johanna Mikl-Leitner mit dem Verlust der absoluten Mehrheit rechnen. Die Landeshauptfrau wird aber auch in Zukunft die Fäden in der Volkspartei ziehen. Das werden nicht nur die Anhänger von Sebastian Kurz spüren.
Johanna Mikl-Leitner ist oft schon von Weitem zu hören, klopft jedermann gerne jovial auf die Schulter, und wenn die Stimmung passt, mutiert das Gegenüber schnell zum ›Schatzi‹. Die 58-Jährige macht seit drei Jahrzehnten Politik, zwei davon in Spitzenfunktionen in Land oder Bund. Sie steht für einen Politiker-Typus, der landläufig als leutselig gilt.
Seitdem die Hollabrunnerin 2016 auch politisch in ihre Heimat Niederösterreich zurückgekehrt ist, legt sie allerdings Wert darauf, in der Öffentlichkeit als Landespolitikerin aufzutreten. Die Bundespolitik hat sie aber selbstverständlich nicht aufgegeben, sondern nur hinter die Kulissen verlagert – so dass sie wie einst ihr Vorgänger Erwin Pröll als heimliche Parteichefin der ÖVP und mächtigste Strippenzieherin im Lande gilt.
Zu Recht? Und wird dieser Mythos auch die Landtagswahl am 29. Jänner überleben, bei dem Mikl-Leitners ÖVP den Verlust ihrer absoluten Mehrheit befürchten muss?
Wer die niederösterreichische Landeshauptfrau dieser Tage schallend laut lachen hören will, muss ihr nur – durchaus ernst gemeint – die Frage stellen: ›Wie groß ist derzeit der Gegenwind für die kommende Landtagswahl?‹ Es ist ein galliges, offenbar aber kurzfristig befreiendes Lachen ob des Dauerfeuers an Bad News, mit denen die ÖVP seit Monaten wegen der 300.000 Chats des Kronzeugen-Anwärters Thomas Schmid zu kämpfen hat. Mikl-Leitner kippt aber binnen Sekunden den inneren Schalter wieder in Richtung Amt und Würden und referiert im Gespräch mit DATUM dann, was sie derzeit am meisten bewegt. Als Problembären der Politik hat sie freilich nicht Kurz & Co. im Auge – deren Agieren zu beurteilen, sei allein Sache der Justiz. Stattdessen geht sie mit dem ÖVP-Korruptionsausschuss (Anm. zu dem auch sie, nach Redaktionsschluss, am 1. Dezember geladen war) und der Opposition generell ins Gericht: ›Dieses gegenseitige Beflegeln und Beschimpfen ist demokratiepolitisch schädlich. Man braucht sich nicht wundern, wenn der Vertrauens-Verlust steigt.‹
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