›Doskozil klingt nicht treudeutsch‹

Über Blaue an der Macht und das Blind Date Sebastian Kurz.

Interview:
Stefan Apfl
·
Interviewter:
Rainer Nowak, Chefredakteur ›Die Presse‹
DATUM Ausgabe November 2017

Rainer Nowak: Ich mag diese Übergangszeit nicht. Entweder mir ist zu warm oder zu kalt.

Stefan Apfl: Und jetzt gerade?
Zu kalt.

In einer Übergangszeit befinden wir uns auch politisch. Welchen Ausgang der Koalitionsverhandlungen erwarten Sie?
Es gibt drei Varianten: Schwarz-Blau. Rot-Blau. Schwarz-Rot. Ich schätze die Wahrscheinlichkeiten auf 70:25:5.

Wird es schnell gehen?
Denke ich nicht. Die SPÖ wird versuchen, sich lange im Spiel zu halten, um Sebastian Kurz den Erfolg zu vermiesen: eine schnelle Regierungsbildung. Die FPÖ wird sich zieren, um ihren eigenen Preis in die Höhe zu treiben.

Die Süddeutsche schrieb nach der Wahl vom ›Ende der liberalen Welt‹.
Das ist putzig und lustig. Liberale Welt in Österreich? Wann und wo? Im Ernst: Ein junger ÖVP-Spitzenkandidat hat gewonnen, indem er zum Teil freiheitliche Standpunkte eingenommen und damit bewiesen hat, dass man die FPÖ so auf Distanz halten kann. Ich bin mir ganz sicher, dass der Nachfolger von Angela Merkel die CDU nach rechts rücken wird.

Wie blicken Sie auf eine Regierungs­beteiligung der FPÖ?
Erstens einmal muss man sie akzeptieren, weil der Wähler sie will. Aber die Erfahrung hat uns natürlich gelehrt, dass es Probleme geben kann, was das Personal betrifft, was den Stil betrifft und was Versuche betrifft, politische Macht für den persönlichen Vorteil zu nutzen.

Müssen wir im Falle einer Regierungs­beteiligung der FPÖ, die in Teilen rechtsextrem ist, wachsam sein, dass nicht noch mehr Rassismus in den Alltag einkehrt?
Ich würde mit dem Wort rechtsextrem aufpassen. Wenn die ÖVP Mitte rechts ist, dann ist die FPÖ eine Rechtsaußenpartei. Klar, wir müssen bei diesen Themen ex­trem wachsam sein. Ich denke aber nicht, dass 26 Prozent der Wähler eine rassistische Regierung wollten. Das Wahlergebnis ist die Reaktion der Bevölkerung auf das Flüchtlingsjahr 2015.

Wäre Strache Erster geworden, wenn die ÖVP nicht nach rechts gerückt wäre?
Ja, das glaube ich.

Wie wird Präsident Van der Bellen bei der allfälligen Angelobung der FPÖ tun?
Er wird wahrscheinlich, so wie das auch Thomas Klestil gemacht hat, im Vorfeld Minister ablehnen und finster schauen. Ich glaube etwa nicht, dass er den Harald Stefan als Justizminister angeloben wird. Oder den Harald Vilimsky als Außenminister. Herbert Kickl würde er aber sehr wohl angeloben.

Ist Kurz als Kanzler ein Blind Date oder wissen wir, was wir bekommen?
Lustigerweise beides. Wir wissen, was wir bekommen, weil wir sein Programm kennen, weil wir wissen, wie er als Außenminister aufgetreten ist, und weil es ein Regierungsübereinkommen geben wird. Dennoch ist Kurz ein Blind Date, weil man nie weiß, wie eine Person als Spitzenmann der Republik agiert. Siehe Kern.

Was ist das Parlament ohne Grüne?
Unvollständig. Das ist sicher der größte Kollateralschaden der Polarisierung der vergangenen Monate. Die Grünen waren die einzige Partei, die immer sauber war, immer, immer, immer. Alle, die mit dem Herrn Silberstein zusammengearbeitet haben, sitzen noch im Parlament und haben kein Minus.

Die Chefs der Parlamentsparteien heißen Christian, Heinz-Christian, Sebastian, Matthias, Peter. Wie kann das 2017 in einem Einwanderungsland, in dem mehr Frauen als Männer leben, sein?
Wenn wir uns nicht bald mit dieser Frage auseinandersetzen, dann, fürchte ich, wird das auch 2022 noch so sein. Aber ­Doskozil klingt nicht gerade treudeutsch.

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