Editorial

DATUM Ausgabe Dezember 2019

Liebe Leserin, lieber Leser,

Wissen, so würde man das sagen, wo ich herkomme, Wissen ist ein Hund. Es weitet unseren Horizont, unser Denkvermögen, ich bin versucht zu sagen: unser Herzvermögen. Es versetzt uns in die Lage, gute und, hier kommt der Hund ins Spiel, richtige Entscheidungen zu treffen. 

So abstrakt sie auch klingen mag, so hat uns die Frage, wie unser Wissen unser Handeln leitet, leiten sollte, müsste, in letzter Zeit immer öfter, immer dringlicher herausgefordert. Es ist eine jener Schlüsselfragen, die die große Klimakrise unseren kleinen Leben zustellt wie einen er­­hofften Brief, der sich als Finanzamtszahlungsaufforderung entpuppt.

Nicht nur die Teilnehmer unseres Klimastammtisches haben sich und einander diese Frage nach dem richtigen Handeln, dem richtigen Leben gestellt; auch die anderen Recherchen im Blatt werfen sie auf :

Sollen wir keine Produkte › Made in China ‹ mehr kaufen, weil China die Umwelt knechtet, seine Bürger unterdrückt und eine Million Menschen in Umerziehungslagern gefangenhält ? Oder sollen wir keine Billigfluglinien mehr nutzen, weil die ihre Profite auf Kosten ihres Personals, der Arbeitsrechte und letztlich womöglich sogar auf Kosten der Sicherheit machen ? Oder sollen wir der Europäischen Union abschwören, weil geflohene Menschen an der bosnisch-kroatischen Grenze in menschenunwürdigen Um­ständen darben, weil die EU-Mitgliedsstaaten sich nicht und nicht auf eine menschenwürdige Asylpolitik einigen können ?

Ja, ja und ja. Oder ? Oder führt, was so simpel klingt, so hausverständlich, das Leben nach dem besten Wissen und dem besten Gewissen, am Ende all der Jas, die folgerichtig folgen, in ein Leben als Subsistenzbauern, abgeschieden, besser: geschieden von der so genannten Zivi­lisation ? 

Gibt es einen Mittelweg aus ja und nein, ein richtigeres Leben im falschen, das die positiven Aspekte autoritäter, staatlicher Durchgriffsrechte und die Demokratisierungskraft ungeregelter Märkte ins Treffen führt ? Und spricht man dann erwachsen von Ambiguitätstoleranz oder von der › Kunst des Kompromisses ‹, wie ein Teilnehmer des Klimastammtisches ? 

In diesem Sinn machen wir es Ihnen auch mit der vorliegenden Ausgabe nicht leicht. Und das wollen wir auch nicht. Die Komplexitäts­reduktion, die der Glaube an Religionen verspricht, an Ideologien und an einen Journalismus, der urteilt, was wirklich richtig ist und wirklich falsch ? Haben wir nicht im Angebot. Wir bieten Wissen. Sie wissen das.

Dass Sie unser Angebot im ablaufenden Kalenderjahr wahrgenommen haben, ehrt uns nicht nur. Erst Ihre Aufmerksamkeit, Ihre Zeit und Ihre Investition in Form von Abos und Kioskkäufen ermöglicht unser Tun. Dies macht Sie und uns zu einer Gemeinschaft. Und diese Gemeinschaft wächst.

Die Zahl an Abonnentinnen und Abonnenten ist 2019 größer geworden, jede einzelne Ausgabe war besser verkauft als im Jahr zuvor. Und auch wir ­konnten unsere Aktivitäten deshalb ausweiten : in der Lehre junger Kolle­ginnen und Kollegen des DATUM-Talenteprogramms, in unserem Podcast, unseren Diskussionsveranstaltungen weit über Wien hinaus. Wir haben heuer anlässlich unseres 15-jährigen Jubiläums sogar ein Buch publiziert, das erste DATUM-Buch und wohl nicht das letzte. Und: 2020 haben wir viel vor.

Ehe es aber so weit ist, darf ich Ihnen danken, Ihnen alles Gute wünschen und, wie stets, viel Vergnügen bei der Lektüre der Seiten der Zeit.

Ihr Stefan Apfl 

stefan.apfl@datum.at

PS: Erlauben Sie mir den Hinweis, dass ein DATUM-Abonnement ein feines Weihnachtsgeschenk ist. Ich sage das aus persönlicher Erfahrung.