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Editorial Februar 2022

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Illustration:
Blagovesta Bakardjieva
DATUM Ausgabe Februar 2022

Liebe Leserinnen und Leser,

zwei Jahre nach Ausbruch von Covid-19 ist die ­Versuchung groß, einfach hinzuwerfen und zu sagen, ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr, es reicht. Nicht nur die Pandemie, auch der Umgang mit ihr strapazieren Nerven und Geduld schon zu lange: Durchseuchungsprognosen, der achselzuckende Umgang mit der Überforderung der Test-, Melde- und Contact-Tracing-Kapazitäten, die widersprüchliche Kombination aus Impfpflicht und Impflotterie werfen die Frage auf: Was genau ist eigentlich die Strategie der ­Regierung?

Angesichts der gemischten Signale aus der Politik ist das Ergebnis einer aktuellen Umfrage im Auftrag von Profil bemerkenswert. 50 Prozent der Befragten gaben an, sich weiterhin strikt an alle Maßnahmen zu halten, weil man sich ›absolut nicht mit Omikron anstecken möchte‹. Darüber hinaus sagten aber weitere 33 Prozent, sie würden sich ›im Großen und Ganzen‹ an die Maßnahmen halten, obwohl sie in Kauf nähmen, sich ›früher oder später mit Omikron zu infizieren‹. Nur 13 Prozent lehnen demnach Einschränkungen ab, weil ihnen eine Ansteckung ›egal‹ sei.

Ein Blick auf die Impfzahlen zeigt ein ähnliches Bild.
Ja, die Impflücke ist immer noch zu groß, aber die überwiegende Mehrheit hat das Angebot der Wissenschaft angenommen, lange bevor die Politik daraus eine Frage von Bestrafung und Belohnung machte. Inzwischen verfügen mehr als 72 Prozent über ein aktives Impfzertifikat, eine Mehrheit der über 45-Jährigen ist dreimal geimpft.

Man könnte inmitten all der Hiobsbotschaften deshalb auch kurz innehalten und konstatieren: Die allermeisten Menschen in diesem Land haben bislang der Versuchung widerstanden, die eigene Befindlichkeit zum Maß aller Dinge zu erheben. Sie schauen nicht nur auf, sondern auch um sich.

Die Umsicht der Mehrheit anzuerkennen, sollte uns aber nicht dazu verleiten, jene Minderheit zu ignorieren, die ihrer Wut über die Maßnahmen gegen die Pandemie immer lauter und aggressiver Luft macht und dabei viele Grenzen einer zivilisierten Debatte überschritten hat. Wir reden hier über Menschen, die Galgen und abgehackte Plastikköpfe auf Demos schleppen; die sich Judensterne mit der Aufschrift ›Ungeimpft‹ an die Brust heften, obwohl sie amtsbekannten Rechtsextremen hinterherlaufen; die Politiker, Journalisten, Ärzte, Polizisten, Supermarktverkäufer und Busfahrer bedrohen – oder ebensolches Verhalten durch Mitlaufen unterstützen.

Aber wer treibt hier eigentlich wen auf die Straße? Was spielt sich im digitalen Backend der sogenannten Querdenker ab? Und wie gefährlich sind sie wirklich? Diesen und vielen anderen Fragen sind wir – allen voran Werner Reisinger – in dieser Ausgabe von DATUM nachgegangen.

Wie immer haben wir aber auch zahlreiche Geschichten für Sie vorbereitet, die nichts (oder nur am Rande) mit Corona oder den Reaktionen darauf zu tun haben. Jonas Vogt hat für uns den Wiener Bürgermeister besucht, Martin Zinggl hat zwei junge Österreicher auf Friedensmission nach Bosnien begleitet, und Susanne Jäger porträtiert eine Generation nicht mehr ganz junger Erwachsener, der es schwerfällt, sich von ihren Eltern zu emanzipieren.

Außerdem darf ich Ihnen ein paar erfreuliche Neuigkeiten in eigener Sache verkünden: Thomas Winkelmüller, der für diese Ausgabe unter anderem Impfpassfälschern hinterherrecherchiert hat, verstärkt seit Anfang des Jahres als Redakteur das DATUM-Kernteam. Die Politikwissenschaftlerin Petra Bernhardt analysiert ab sofort auf einer Doppelseite zum Thema ›Bilder‹ die Rolle von Fotografie in der politischen Kommunikation, und der Schriftsteller Ilija Trojanow wird künftig Erkenntnisse aus seinen Recherchen für einen utopischen Roman mit den Leserinnen und Lesern von DATUM teilen.

Last but not least starten wir auch einen neuen Newsletter. Er heißt DATUM Breitengrade und nimmt Sie mit auf eine Reise durch den internationalen Klimajournalismus. Einen Vorgeschmack darauf (und alle Infos, die Sie für die Anmeldung benötigen) finden Sie auf den ­Seiten 70–72. •

 

Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen!

Ihre Elisalex Henckel

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