Editorial März 2018

DATUM Ausgabe März 2018

Liebe Leserin, lieber Leser,

es geschieht jeden Tag. Im Geschäft, im Imbiss, zu Hause. Die Wanduhr, ›Made in China‹, beim Ikea: Woraus besteht sie? Wer hat die zusammengebaut, unter welchen Bedingungen? Der Kaffee aus Kolumbien beim Billa: Wer hat die Bohnen gepflückt, um welchen Lohn? Und wurden sie gespritzt? Oder das Imbiss-Hendl aus – ja, woher kommt das Hendl eigentlich? Hat es Hormone erhalten, Antibiotika? Und was ist mit dem Babybody von der Patin, ›Made in Bangladesh‹? Soll man ihn verwenden, weiterschenken, wegwerfen?

Wir wissen nicht, wie genau es anfängt. Mit einem Film vielleicht, mit einem Gespräch, einem Buch. Doch hat es einmal angefangen, das wissen wir, dann hört es nicht mehr auf: das Hinterfragen des eigenen Konsums und seiner Folgen. ›Ende nie‹, sagt Helmut Schüller so schön im Stammtischgespräch ab Seite 14, und er meint das positiv.

Wir haben ihn, den Vorsitzenden von ›Fairtrade Österreich‹, ebenso an den Tisch gebeten wie die ›Ja! Natürlich‹-Geschäftsführerin Martina Hörmer, die Fairfashion-Designerin von ›anzüglich‹, Barbara Koszednar, und den Dokumentarfilmer Werner Boote, der ›Plastic Planet‹ gedreht hat und jetzt ›Die grüne Lüge‹.

Mit ihnen haben wir uns den großen Fragen gewidmet, die uns bei jedem Einkauf begleiten: Was ist biologisch? Was ist umweltgerecht, was fair? Fair für wen? Und welche Macht haben wir, hat der einzelne, wie er da so steht im Billa, einen Einkaufszettel in der Hand, kleine Zweifel und große Fragen im Kopf?

Ihn, den Konsumenten, haben wir am Cover als Superman dargestellt. Und ihm, dem Superman-Darsteller, wollen wir an dieser Stelle danken. Umso mehr, als er das Shooting gehasst hat; so sehr hat er es gehasst, dass er anonym bleiben und nie wieder davon sprechen will.

Als er das Kostüm anzog, das uns der ORF geliehen hat, und sich ans Einkaufswagerl lehnte, das uns – ja, tatsächlich – die freundliche Kassiererin beim Billa um die Ecke geliehen hat, war das ausgerechnet am Faschingsdienstag.

Gabriele Scherndl recherchierte da noch an ihrer Geschichte darüber, was geschieht, wenn Psychotherapeuten sich ihren Patienten gegenüber wie Psychopathen verhalten. Franziska Tschinderle und Martin Valentin Fuchs besuchten im Kosovo jenen Mann, der den Staat abschaffen will, im Parlament Rauchbomben zünden lässt und nebenbei die größte Partei des Landes anführt. Und Johannes Pucher begleitete Menschen, die als Unsichtbare, also ohne Papiere, in Österreich leben.

An eben diesem Faschingsdienstag, da radelte – zumindest in unserer liebevollen Vorstellung – ein bärtiger Mann in einem Superman-Kostüm den Wiener Ring entlang. Sein Umhang wehte im Wind, es war ihm kühl um die Strumpfhosen und er fluchte leise vor sich hin. Wir meinen, sein Opfer war nicht umsonst.

In diesem Sinn darf ich ihm und Ihnen viel Vergnügen wünschen bei der Lektüre der Seiten der Zeit.

Ihr Stefan Apfl
stefan.apfl@datum.at