Editorial Mai 2018
Liebe Leserin, lieber Leser,
vor 13 Jahren war ich bei meiner ersten datum-Redaktionskonferenz. Weil in dem damaligen Büro in Wien-Landstraße zu wenig Platz und es außerdem zu heiß war, fand sie im Innenhof statt. Ich saß auf einem Klappstuhl, hatte drei Themenvorschläge zu bieten und ging mit einem nach Hause: ›Der Bordell-Boom im Südburgenland.‹ Einen Monat lang fuhr ich herum, redete mit jedem, der mich ließ, verbrachte Nächte beim Schreiben und Umschreiben und saß schlussendlich ängstlich und erwartungsvoll neben dem damaligen Chefredakteur Klaus Stimeder, während er meine Version las. Er sagte: ›Der erste Satz hält‹, und dann nichts weiter, ganz damit beschäftigt, meinen Text völlig zu zerlegen und neu zusammenzusetzen. Der erste Satz hielt. Die anderen nicht. Und nie wieder habe ich in vier Stunden mehr gelernt.
Sie sehen also: Dass ich nun hier sitze, spätabends und alleine in längst einem anderen Büro, und an diesem Editorial schreibe, ist ein besonderer Moment für mich. In den kommenden drei Monaten bin ich Chefredakteurin des Magazins, das ich als meine journalistische Heimat betrachte. Des Magazins, bei dem ich gelernt habe, sorgfältig zu recherchieren, lange Texte zu schreiben und journalistische Qualität und Integrität als oberstes Prinzip zu begreifen. Es ist eine große Aufgabe, diesem Anspruch mit dem ersten Heft unter meiner Ägide gerecht zu werden – und mir eine große Freude.
Das Thema Digitalisierung spaltet, das haben wir während vieler Redaktionssitzungen selber festgestellt. Eva Konzett, Chefin vom Dienst und einer digitalisierten Welt gegenüber eher skeptisch eingestellt, und ich, die ich die Chancen derselben positiver einschätze, haben die Diskussionen zwischen den Sitzungen über Schreibtische und Kaffeetassen hinweg weitergeführt. Der vorliegende Schwerpunkt lässt uns zufrieden zurück – und, so hoffen wir, unsere Leserinnen und Leser auch. Sie werden es vielleicht bereits erkannt haben, aber das Männchen auf dem Cover zuckt mit den Schultern. Es heißt im Internet- Jargon ›Shruggie‹ und symbolisiert, worüber in Sachen Digitalisierung debattiert wird: Das Schulterzucken steht für die Erkenntnis, dass man zwar dagegen sein, aber ohnehin nichts ändern kann, das lächelnde Gesicht zeigt Optimismus, und dann ist er auch eine Allegorie auf die Zukunft: Keine Ahnung, was kommen wird. So bleibt die zentrale Frage: Wie können wir uns die Technik soweit zunutze machen, dass sie unser Leben erleichtert? Publizist Robert Misik hat sich dafür mit der Geschichte der Arbeit beschäftigt, Rainer Brunnauer hat Digitalisierungsberater begleitet und in unserem Tischgespräch geht es um das mögliche Miteinander von Mensch und Maschine.
Und es gibt neue Kolumnen: Künftig werden wir in unserer Stichprobe weitverbreiteten Irrtümern auf die Spur gehen, dieses Mal jenen im Bereich der Mobilität. Und auf der letzten Seite wird ab sofort Tagespresse-Autor Sebastian Huber seinen Medienkonsum durchleuchten.
Mittlerweile ist es ja so, dass in meinen Texten auch der zweite und der dritte Satz halten. Und sollten es je alle sein, wäre das ein unerfreuliches Eingeständnis meines Stillstands. In diesem Sinne: Ich freue mich auf Anregungen, Kritik und Lob!
Ich wünsche Ihnen eine schöne Lektüre mit den Seiten der Zeit.
Ihre Saskia Jungnikl
saskia.jungnikl@datum.at