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Ein Leben im Tag von … Michael Ostrowski

Der Unterhaltungskünstler über Youtube-Videos, Doppelsechser und die Suche nach dem Irrsinn.

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Fotografie:
Marija Kanizaj
DATUM Ausgabe Mai 2023

Ich war meine gesamte Kindheit lang ein extremer Frühaufsteher, habe morgens noch schnell meine Schul­aufgaben fertig geschrieben, aber mit Studienbeginn hat sich das geändert. Seitdem ich arbeite, schlafe ich, wenn’s irgendwie geht, gerne lang. Mein Morgenritual besteht aus zehn Minuten Übungen, Ö1-Journal und Überlebenskampf. Als Vater stehe ich auf, wenn ich gebraucht werde, also eher früh. Nach einem langen Arbeitstag lässt man mich aber oft auch ­gnädig ausschlafen.

Es fällt mir schwer in Tagen zu denken, denn bei mir läuft alles parallel. Aber wenn ich gerade weder Kinder betreue noch Filme drehe oder Steuern mache, nehme ich mir die Möglichkeit, etwas auszuprobieren. Ich schreibe drauf los und schaue, wohin die Reise geht. Dieser eigenartige Prozess dauert oft Wochen oder Monate. Dreharbeiten, Moderationen oder Lesetouren gehen vorbei, aber ich denke konstant darüber nach, was ich als nächstes machen will. Das passiert zu einem Teil unterbewusst, teilweise suche ich auch nach Inspiration in Büchern, in Filmen oder im Gespräch. Gefühlt endet meine Arbeit aber nie wirklich.

Als Schauspieler stehe ich meistens um sieben Uhr auf. Beim Drehen mache ich mir immer Gedanken zum Text, es gibt kaum eine Zeile, die ich nicht auf mich umgeschrieben habe. Ich kann nur Sachen spielen, die ich auch sagen kann. Manchmal improvisiere ich auch. Das ist ein bisschen ein anarchistischer Prozess, deshalb nehme ich es als Kompliment, wenn die Leute Anarchie mit mir assoziieren. Ich ziehe den Irrsinn nicht an, ich suche ihn. Die Welt ist ja vollkommen verrückt. Wer das nicht sieht, muss blind sein.

Als Moderator füttere ich mein ­Gehirn über ein paar Wochen mit dem aktuellen Weltgeschehen. Irgendwann kurz vor dem Event knall ich dann alles recht schnell aufs Papier. Dabei entsteht im Prozess des Schreibens plötzlich mehr Stoff. Doing by doing, not too much denking. Dem Unterbewussten Raum geben, damit es raushüpfen und überraschen kann. 

Beim Romanschreiben war es ähnlich. Ich bin so spät aufgestanden wie möglich, habe mich hingesetzt, laut die ›Hoffnungslos‹-LP von Wolfgang Ambros aufgedreht, und angefangen für eine Stunde am Stück wild in die Tasten zu hauen. Keine Tabus, schnell, der Intuition vertrauend. Am ersten Drehtag von ›Der Onkel‹ ist mir auch etwas Skurriles passiert. Ich habe mit Taxifahrern im Kofferraum ›Barbut‹ ­gespielt. Ein Würfelspiel. Die Doppelsechs gewinnt. Und als wir angefangen haben zu drehen, habe ich im aller­e­rsten Take zwei Sechser gewürfelt. Das war so surreal und irre, da wusste ich: ›Jetzt wird alles gut.‹

Eigentlich mache ich zu viel. Damit das Leben lebenswert bleibt, muss ich mir bewusst Freiräume ­schaffen. Ich schau sehr gerne Fußball. Oder Tennis. Auch Rauschmittel ­können entspannen. Oder Tee. Wenn ich in Graz bin, gehe ich jeden Tag in den Wald. Der Wald, der ist magic. Mir fehlt auch die Zeit mit meinen ­Kindern, deshalb werde ich meine ­Arbeit in Zukunft anders einteilen.

Nach einem Drehtag trinke ich manchmal noch etwas mit Kollegen oder beantworte Fragen von Journalisten per Mail und lasse so den Tag ausklingen. Seit Kurzem gehe ich wieder vor Mitternacht schlafen, meistens bilde ich mich davor noch per YouTube-Videos weiter. 15 Minuten Kosmologie, Quantenforschung oder etwas über das Bewusstsein. Ich lasse mich von Alan Watts, Anton Zeilinger und Roger Walsh in den Schlaf wiegen.

Zur Person:

Michael Ostrowski (49) ist vieles: Schauspieler, Regisseur, Autor und Moderator, manchmal auch Musiker. Außerdem engagiert sich der Steirer für das Recht auf ein elftes und zwölftes Schuljahr für Kinder mit Behinderung. Sein Sohn Janosch ist mit Downsyndrom geboren. Ostrowski ist demnächst im Film ›Rehragout-Rendezvous‹  im Kino zu sehen und geht mit seinem Buch ›Der Onkel‹ auf Lesereise.

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