Als das legendäre Brettspiel 2009 seinen fünfzigsten Geburtstag feierte, ließ der Spieleverlag Hasbro Jubiläums-T-Shirts drucken: ›Diplomacy – Destroying friendships since 1959‹.
Wer schon einmal unter den geopolitischen Verhältnissen von 1901 mit sechs Freunden um Europa gefeilscht hat, versteht die Pointe. ›Diplomacy‹ ist kein harmloses Gesellschaftsspiel für nach dem Käsefondue. Im Schnitt sechs Stunden dauert eine Partie, die ohne Würfel oder andere Glücksfaktoren auskommt, es regiert allein die Kunst des Verhandelns.
Von seinem Heimatland aus versucht jeder der sieben versammelten Imperialisten mittels geschickter Truppenverschiebungen Gebiete zu erobern. Dafür benötigt man bald die militärische Unterstützung anderer. Und die gilt es, sich in den 15-minütigen Diplomatie-Phasen zu sichern, die der Niederschrift der nächsten Züge jeweils vorausgehen. Das wird ab Stunde vier durchaus ermüdend, vermag zwischendurch aber auch sehr zu befriedigen, wenn es einmal gelingt.
Europa beherrschen kann am Ende nur einer, dafür müssen Allianzen geschmiedet und Versprechen abgegeben werden – bis man den treuesten Verbündeten gut getimed in den Rücken fällt. Obwohl jeder den Ablauf kennt, sind am Schluss fast alle beleidigt. Vielleicht sollten Heiratswillige zu einer gemeinsamen Partie ›Diplomacy‹ verpflichtet werden: Eine Liebe, die diesen Exzess der Hinterfotzigkeit überlebt, kann auch ewig währen.
Nirgendwo lerne man mehr über Realpolitik als bei ›Diplomacy‹, soll Henry Kissinger über sein Lieblingsspiel gesagt haben. In unserer Runde siegt am Ende die Erschöpfung: England, Italien und Österreich-Ungarn einigen sich auf ein Remis, Russland hat längst verärgert aufgegeben, weil das von einer Zwölfjährigen regierte Deutschland mit Frankreich kuschelte und die Türkei deshalb bei ihrem erfolglosen Bulgarien-Feldzug … – aber wenn Sie das interessiert, dann probieren Sie es am besten selber aus. Sagen Sie nur nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt. •
Diplomacy (1959) · Autor: Allan B. Calhamer · Hersteller: Hasbro