Falls Qualtinger irrt
Es herbstelt. Nach einem meteorologisch heißen, innenpolitisch aber eher lauen Sommer nimmt auch der Nationalratswahlkampf an Fahrt auf. Ein ›Happy Warrior‹, der ihn nochmal so richtig spannend macht, ist zwar hierzulande nicht in Sicht, aber man könnte den rasanten Aufstieg von Kamala Harris zur Präsidentschaftskandidatin der US-Demokraten auch als Erinnerung daran werten, wie schnell sich Dinge in der Politik ändern können. Zumindest Personal und Positionen, manchmal sogar Parteien.
Nicht ganz so schnell geht es in der Regel bei den politischen Strukturen. So leistet etwa der Helmut Qualtinger zugeschriebene Satz ›Österreich ist ein Labyrinth, in dem sich jeder auskennt‹* professionellen Beobachtern dieses Landes schon seit fast vier Jahrzehnten treue Dienste. Dabei könnte man inzwischen durchaus auch die Frage stellen, ob er überhaupt noch zutrifft.
Schließlich ist doch ein bisschen was passiert, seit das Qualtinger-Zitat 1985 erstmals durch die Wochenpresse protokolliert wurde: EU-Beitritt, Globalisierung und zusätzliche Parteien haben politische Entscheidungsprozesse komplexer gemacht, Erstwähler sind jünger geworden, Nichtwähler zahlreicher – sowohl die freiwilligen als auch die unfreiwilligen.
Dazu kommt die Ablenkung, immer öfter auch Desinformation, die auf Social Media, Kriege und Krisen zurückzuführen ist. Trotz steigenden Bedarfs an politischer Bildung ist sie in der Schule aber ein Randthema geblieben. Es spricht also Einiges dafür, dass es schwieriger geworden ist, seinen Weg durch das Labyrinth namens Österreich zu finden.
Wir haben ihm deshalb anlässlich der bevorstehenden Nationalratswahl den Schwerpunkt dieser Ausgabe gewidmet. Zunächst einmal haben wir die jungen Journalistinnen und Journalisten, die derzeit im DATUM-Talenteprogramm ihr Handwerk perfektionieren, gebeten, uns zu schreiben, was sie immer schon über Österreichs politisches System wissen wollten (aber nie dazu gekommen sind zu fragen). Susi Mayer, Antonia Baumgartner und Sophia Dostal haben diese dann den wahrscheinlich bekanntesten Polit-Erklärern des Landes gestellt – und Armin Wolf und Peter Filzmaier haben sie mit viel Witz, Präzision und Geduld beantwortet.
Außerdem wollten wir dokumentieren, welche ungeschriebenen Gesetze neben den geschriebenen wirken und haben deshalb den Verfassungs- und Verwaltungsspezialisten Moritz Moser gebeten, die sogenannte Realverfassung aufzuschreiben. Parallel dazu hat DATUM-Allzweckwaffe Thomas Winkelmüller recherchiert, was einen guten Politiker auszeichnet. Er hat dazu nicht nur ›Politik als Beruf‹ von Max Weber gelesen (jawoll, von vorne bis hinten, alle 96 Seiten), sondern auch Vertreter aller Parlamentsklubs um praktische Beispiele gebeten. Einzige Bedingung: Sie durften nicht der eigenen Partei angehören. •
Viel Freude beim Lesen!
Ihre Elisalex Henckel
elisalex.henckel@datum.at
* Ob er wirklich von Helmut Qualtinger stammt, hat nicht einmal der Zitatforscher Gerald Krieghofer restlos klären können. Er ist jedoch überzeugt davon, dass dem Großmeister des österreichischen Kabaretts die Zuschreibung bekannt gewesen sein dürfte und schließt aus dem Ausbleiben von Protest, dass man ›von einer stillschweigenden Autorisation des Zitats ausgehen‹ könne.