Fluch der Fläche

Was tun, wenn das Haus oder die Familienwohnung im Alter zu groß wird? Es gibt Konzepte und Lösungen, für manche müssen aber auch die Mauern im Kopf eingerissen werden.

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Illustration:
Eva Pils
DATUM Ausgabe Oktober 2022

Karin Auer* ist gerade heimgekommen. Die Krankenschwester trägt noch ihre weiße Arbeitshose, als sie durch ihr geräumiges Einfamilienhaus im Mostviertel führt. Auer ist 55 Jahre alt und verheiratet, ihre vier Kinder sind erwachsen. Schon beim Betreten des Hauses deuten die vielen Schuhe im Eingangsbereich, die Fahrräder vor der Tür und ein voller Aschenbecher auf dem Gartentisch aber darauf hin, dass hier nicht nur ein Ehepaar wohnt. Auer lässt in einem der ehemaligen Kinderzimmer einen Studenten wohnen. Ihren echten Namen will sie zwar lieber nicht in der Zeitung lesen. An ihr Wohnkonzept, das Einfamilienhaus mit anderen Menschen zu teilen, glaubt sie aber fest. ›Wir helfen uns gegenseitig. Unser Student passt auf den Hund auf, ich hole ihn manchmal mit dem Auto vom Bahnhof ab‹, sagt sie. ›Die Gespräche mit jungen Leuten finde ich inspirierend.‹

Das Ehepaar Auer hat hier früher mit seinen vier Kindern gelebt, zwei studieren nun in Wien, zwei wohnen noch im Haus. Obwohl sich bereits ein Student eingemietet hat, gäbe es immer noch Platz. Karin Auer sucht auch für dieses freigewordene Zimmer jemanden, sie möchte möglichst gar keinen Leerstand im eigenen Haus. ›Wir teilen uns gerne Bad und Küche, wir sind sowieso wenig zu Hause‹, sagt sie entspannt.

Eine Wohngemeinschaft, die zwei Generationen vereint, ist ein Lösungsmodell für ein häufiges und zugleich verdrängtes Problem: Viele Menschen schaffen für ihr Familienleben großzügigen Wohnraum, der im Alter zur weitläufigen Verpflichtung geraten kann, zu einer Last, gleichsam zum Fluch der Fläche. Denn nicht alle Hausbewohner sind so flexibel wie Familie Auer. Was nach einem Luxusproblem klingen mag, stellt viele jenseits des 60. Geburtstags in Wahrheit vor schmerzhafte Fragen. Auch die steigenden Energiekosten machen einen Lebensabend im gewohnten Eigenheim für viele unfinanzierbar. Längst beschäftigen sich Architektur und Sozialwissenschaften mit der Wohlfühlwohngröße im Alter.

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