Ins Netz gegangen

Das Internet muss für alle sein, fordert Walter Palmetshofer.

DATUM Ausgabe Juli/August 2018

Während Walter Palmetshofer Baumstämme und einen 250 Jahre alten Eisenbohrer aus dem Mietwagen hievt, erzählt er in breitem Oberösterreichisch, dass er gerade von einem Stiftungskongress in Nürnberg zu einer ­glo­balen Politikkonferenz in Berlin reist –nachts. Das schwere Gepäck aus dem Wald kommt deswegen mit, weil er es für eine gruppendynamische Intervention einsetzt.

Palmetshofer, 40, ist ein Digitalpionier und lebt in Berlin. Sein Feld sind die Ökonomie und Legistik rund ums Internet. Seit 2013 arbeitet Palmetshofer an den großen Europa- und Datenprojekten der Open Knowledge Foundation in Berlin. ›In der Netz- und Hackerszene hängen technische und reale Systeme zusammen. Wir wollen, dass das Internet langfristig uns allen frei zugänglich bleibt.‹ Palmetshofers Herangehensweise? ›Neugierde, Angstfreiheit, Spieltrieb.‹

Er kennt keine strikten Arbeitszeiten. Er duelliert sich am Weg zu Deutschlands ›Open-Data-Gesetz‹ hart in der Sache und augenzwinkernd im Ton mit der zu­ständigen Staatssekretärin. Er geht mit Kollegen im NSA-Untersuchungsausschuss des deutschen Bundestags ein und aus. Er kennt die Aussagen zum Internet in Deutsch­lands Koalitionsvertrag, betreut einen europaweiten ›Open Data Incubator‹ und das Projekt ›Open Schufa‹ (die Schufa ist mit dem Kreditschutzverband vergleich­bar). Bei der Großveranstaltung ›Jugend hackt‹ lehrt er Teenager, Anfragen in Sachen Informationsfreiheit an Behörden zu stellen oder etwa Wikipedia-Einträge selbst vorzunehmen. Die Hintergründe zum derzeit diskutierten Leistungsschutzrecht in Brüssel wieder­um übersetzt er dem unbedarften Publikum von Helsinki bis Wien.

Palmetshofer wächst als eines von vier Kindern in Zwettl an der Rodl auf. Gruppendynamik lernt er bei der freiwilligen Feuerwehr. Als er 1996 die Ars Electronica in Linz besucht, ist es um den Schüler Palmetshofer geschehen: in diesem Magierzirkus aus dem 21. Jahrhundert arbeitet er als Systemadministrator, ein paar Wochen nach der Matura zieht er prompt nach New York City. Er betreut dort jahrelang die IT von The Thing New York, damals legendärer Ort für die Vermengung von Kunst und Kultur, neuen Medien und Sozialaktivismus. Er mischt bei den ›Yes Men‹ mit, einer global agierenden Interventionsgruppe, die die Chemiekatastrophe Bhopal in Indien thematisiert und einst zum Thema Gender kess die Stimmen der Barbiepuppen vertauscht hat. 2003 fliegt Palmetshofer zurück nach Wien, studiert Volkswirtschaftslehre, schließt mit einer Arbeit zu einem Open Data City Index ab.

Was treibt ihn an? ›Ich träume von einem Europa, das auch in dreißig Jahren noch besteht und sich friedlich und sozial weiterentwickelt. Das Chancengleichheit bietet, egal wo man herkommt.‹ Er selbst konnte deshalb zu einem Gestalter in der internationalen Datenpolitik werden, erzählt er, weil er sich in der Netz-Szene – etwa den Hackerspaces Berlins – in Ruhe entfalten konnte: ›Das sind Leute, die an einer guten Sache für das Gemeinwesen arbeiten. Die meisten von ihnen wollen Spaß dabei haben und kennen keine Leiter, die es hochzuklettern gäbe.‹

Die schlimmste Vorstellung für Palmets­hofer? ›Der Überwachungsstaat. Überwachung nimmt uns die Freiheit und Authentizität.‹