Laut, links, angriffslustig

Ist das Online-Portal ZackZack noch Parteimedium – oder schon Journalismus ?

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Fotografie:
Gianmaria Gava
DATUM Ausgabe Mai 2021

Thomas Walach hat genug. Der Chefredakteur von ZackZack, dem von Peter Pilz gegründeten Online-Medium, wird am Telefon unwirsch, wenn man das Wort › Parteimedien ‹ erwähnt. › Wir sind kein Parteimedium. ‹ Und er sei auch nicht mehr bereit, sich in eine Reihe mit diesen stellen zu lassen. Und schon ist man nach einer Minute mittendrin in einer Debatte, die seit Längerem in Österreichs politmedialer Blase vor sich hin schwelt.

Die Debatte dreht sich um das, was man gerne – grob vereinfachend – unter › Parteimedien ‹ zusammenfasst. Der Begriff ist eine Fremdzuschreibung und wird auch wenig trennscharf genutzt. Er umfasst Plattformen wie Zur-Sache und Kontrast – Parteimedien im engeren Sinne, wo die Parlamentsklubs im Impressum stehen. Gelegentlich werden aber auch neue Medien wie der Exxpress, der über Herausgeberin Eva Schütz eine personelle Nähe zur ÖVP hat, hineinbezogen. Und eben ZackZack. Ein Medium, dem die Partei abhanden gekommen ist. Und das auf keinen Fall als Parteimedium gesehen werden will.

ZackZack ist bunt, laut und grell. Die Überschriften sind knallig, vieles klingt nach potentiellem Skandal. Es ist das erste österreichische Medium, das den linken Traum vom progressiven Boulevard konsequent durchzieht. In der Redaktion hängen die › Gebote für einen zackigen Journalismus ‹ an der Wand. Leicht verständliche Geschichten, eine simple Bildsprache. So etwas halt.

Heute hat das Medium laut Eigenangabe fast 20 Mitarbeiter , davon acht Redakteure. Die Räumlichkeiten an der Gumpendorferstraße sind zu klein geworden, in ein paar Monaten steht ein Umzug an den Reumannplatz an. Und auch sonst ist ZackZack keine kleine Webseite mehr : Im März 2021 gab es knapp 2,3 Millionen Aufrufe. Der Spiegel zitierte die Geschichte über den Privatjet des Oligarchen Dmytro Firtasch, den Sebastian Kurz gemietet haben soll.

Als Medium wird ZackZack immer erfolgreicher, und ein Medium ist es unbestritten. Aber ist das, was an der Gumpendorferstraße passiert, auch Journalismus ? Sitzt man mit Walach an einem Mittwochmorgen zusammen, klingt das alles stimmig. Boulevard ohne Voyeurismus, anschlussfähig auch für Leute, die keine Zeit oder Lust auf längere Texte haben. Quellen transparent machen, keinen › He said, she said ‹-Journalismus betreiben, also nicht nur gegensätzliche Positionen abbilden, sondern schauen, welche stimmt. Im persönlichen Umgang ist Walach ruhig und freundlich. Man kann mit ihm gut über Journalismus diskutieren, und er sagt dann auch sehr richtige Sätze. › Journalismus ist keine Raketenwissenschaft ‹ zum Beispiel.

Die Geschichte von ZackZack beginnt im Jahr 2019 : Pilz – der ahnt, dass es mit der nach ihm benannten Liste zu Ende gehen wird – gründet das Medium, von dem er schon lange geredet hatte. Laut, links, ohne Angst vor der starken Schlagzeile, wie Pilz selbst eben. Er holt den Historiker Walach, der immer wieder mal für Medien wie Falter oder Standard schrieb, von der Uni Wien als Chefredakteur. Die Anschubfinanzierung, rund eine Million Euro, kommt aus den Mitteln für die Parteiakademie, die auch weiter ausgegeben werden dürfen, selbst wenn die Partei nicht mehr im Nationalrat sitzt. Diese Anschubfinanzierung ist für ZackZack Segen und Fluch zugleich. Sie hat das Medium erst ermöglicht, führt aber eben auch dazu, dass man die ungewollte Zuschreibung nicht los wird. › Die Krone wurde auch mit Geldern der Gewerkschaft neugegründet, deshalb würde man sie nicht als gewerkschaftsnah einstufen ‹, sagt Walach. Das stimmt. Es ist aber bereits 60 Jahre her, und es gab auch nie eine operative oder personelle Verflechtung zwischen dem Medium und der Gewerkschaft.

Mittlerweile wird ZackZack als GmbH geführt. Der › Bildungsverein offene Gesellschaft ‹, die ursprüngliche Parteiakademie, hält daran 51 Prozent. › Wir finanzieren uns ganz normal über Werbung und Abos ‹, sagt Geschäftsführerin Eva Winterer. Langfristig soll es noch mehr in Richtung Abos gehen. Zum Zeitpunkt des Besuchs hat ZackZack 998 Abonnenten. Es beginnt bei 9,90 Euro im Monat, viele zahlen freiwillig mehr. Es scheint auch auf der Linken ein Bedürfnis nach Berichterstattung mit klarer politischer Haltung zu geben.
Für diese Haltung steht nicht zuletzt Pilz. Er ist heute nur mehr Herausgeber von ZackZack, hat dort auch ein wenig genutztes Büro. Er bestimmt grobe Leitlinien mit, organisiert Themen und Akten, ist aber kein Teil des Tagesgeschäfts. Über der Kaffeemaschine im Büro hängt eine Karikatur von Pilz (› The Wolf of Gumpendorferstraße ‹), nach dem Scorsese-Film mit Leonardo Di Caprio.

In Österreich ist Journalismus kein geschützter Beruf. Jeder darf sich so nennen. Was die Diskussionen darüber, ob etwas Journalismus ist oder nicht, eher noch anfacht. Aus dem klassischen Teil der Bubble weht ZackZack ein rauer Wind entgegen. Armin Wolf schrieb in einem Blogbeitrag, dass er die › Welle an Partei- und parteinahen PR-Medien (…) für grundsätzlich proble­ma­tisch ‹ halte. Als sich der stellvertretende Chefredakteur von ZackZack bei einer Diskussion beklagte, dass die ÖVP prinzipiell auf keine Anfrage reagiere, entgegnete ihm Eva Weissenberger – im früheren Leben einmal Chefredakteurin der Kleinen Zeitung und von News – beinhart : › Dadurch würden sie euch ja als vollwertiges Medium anerkennen. ‹

In der alltäglichen Arbeit unterscheidet sich ZackZack nicht groß von anderen Medien : Es gibt eine Morgenkonferenz, danach werden Geschichten produziert, circa 15 am Tag, die auch Themen wie Lifestyle und Chronik behandeln. Handwerklich hält man sich an die Grundregeln journalistischer Sorgfaltspflicht – zum Beispiel, den Objekten der Berichterstattung die Chance auf Stellungnahme zu geben.

Es sind oft weniger die einzelnen Geschichten, die ZackZack in die Kritik bringen. Sondern das Framing, die Nä­he zu Ex-Politiker Pilz, die Attacken auf die ÖVP, die von außen durchaus einer Kampagne ähneln. Und dann kommen noch so schwer durchschaubare Episoden wie die von Anfang März hinzu. Walach übergab der Staatsanwaltschaft Rechercheergebnisse über Bundeskanzler Kurz und wurde dann auch einvernommen. Kurz lud daraufhin zum Hintergrundgespräch, wo er › Dirty Campaigning‹ beklagte.

Zahlreiche Medien schrieben über die Causa, oft ohne Gegencheck bei Walach. Aber kann es wirklich die Aufgabe eines Journalisten sein, zur Staatsanwaltschaft zu rennen ? Walach bleibt ruhig, er hat gewusst, dass die Frage kommen würde. › Es ist nicht meine Aufgabe als Journalist, aber als Staatsbürger. ‹ In der Woche nach Ostern sitzt Walach morgens im Camineum, einem breit gezogenen Raum in der Hofburg. Hier findet der › Ibiza-Untersuchungsauschuss ‹ statt. Finanzminister Gernot Blümel ist zum zweiten Mal geladen, deshalb sind viele Journalisten da. Sonst sitzen hier meist nur Der Standard, orf.at – und eben ZackZack. › Ich hab hier schon viel zu viel Lebenszeit verbracht ‹, sagt Walach.

Als er zur Kaffeemaschine geht, passt ihn ein Kollege eines anderen Mediums ab. › Super Aktion von euch letzte Woche. ‹ Walach zuckt ein wenig hilflos mit den Schultern. › Ihr könnt euch ja alles erlauben ‹, sagt sein Gegenüber. Es klingt ein wenig neidisch. Wie viele andere Neugründungen vor ihm muss sich auch ZackZack eine Lücke suchen. Eine Story erzählen, warum es dieses neue Medium braucht. › Wir sehen unsere Daseinsberechtigung darin, eine Nische im Markt zu füllen, die am besten gar nicht da wäre ‹, sagt Walach. › Wenn die anderen Medien kritischer zu den Mächtigen wären, bräuchte es uns vielleicht gar nicht. ‹ Das ist die klassische Geschichte eines Außenseiters, der die Regeln des Spiels in Frage stellt. Wie so oft ist da ein Kern von Wahrheit drin, es ist nur schwer zu sagen, wie groß dieser ist.

Walach und seine Mitarbeiter haben Exklusivgeschichten. Sie berichten aber auch über Messages aus dem Universum von Öbag-Chef Thomas Schmid, in denen Journalisten namentlich genannt werden. Oder über klassischen Bürotratsch von türkisen Kabinettsmitgliedern über Dritte. Das sind Dinge, von denen in Wien die meisten Journalisten wissen. Man kann in ihrer Veröffentlichung ein öffentliches Interesse sehen, viele andere Medien tun das nicht.

Auf Twitter schalten die ZackZack-Redakteure, vor allem Walach, noch einen Gang hinauf. Sie spielen auf Gerüchte an und betreiben › Medienkritik ‹ – was konkret bedeutet, dass sie anderen ständig ungefragt ihren Job erklären. Das kommt nicht überall gut an. › Ich zeig auf Twitter Seiten von mir, die ich privat weniger auslebe ‹, sagt Walach. Der öffentliche Konflikt sei notwendig, um für die Dinge zu sensibilisieren, die nicht gut laufen. › Das ist Arbeit, kein Vergnügen. ‹ Knapp sechs Stunden nach diesem Satz attackiert Walach auf Twitter den Online-Chef des Kurier, Richard Grasl. Und erwähnt dabei auch eine Episode aus Grasls Vergangenheit, die jeder kennt, aber über die niemand schreibt, weil sie nach Meinung vieler nichts in der Öffentlichkeit zu suchen hat.

›Die Frage ist nicht, warum wir etwas veröffentlichen‹, sagt Walach, wenn man ihn auf konkrete Beispiele anspricht. › Die Frage ist : Warum veröffentlichen es die anderen nicht ? ‹ Die Verhaberung sei ein riesiges Problem in Österreich. Dass Journalismus eine zu große Nähe zur Macht habe, mache kritische Berichterstattung schwieriger.

In der Gumpendorferstraße geht man weiter als die Konkurrenz. Ganz so allein, wie man gern tut, ist man aber nicht. Es gibt im Journalismus einen Trend zur zumindest bedingten Transparenz : Dass Hintergrundgespräche zu einem Thema stattgefunden haben, wird mittlerweile häufiger geschrieben. Das Publikum bekommt heute einen besseren Einblick in die Art, wie im politischen Journalismus Information und Wirklichkeit auch hinter der Bühne verhandelt werden. Das ist nicht immer angenehm für die Branche. Aber das zeigt wahrscheinlich auch, dass es höchste Zeit dafür war.

Interessanterweise will manches Parteimedium genauso wenig mit ZackZack verglichen werden wie umgekehrt. Claus Reitan, renommierter Journalist aus dem bürgerlichen Spektrum, wird ein wenig bestimmter, wenn man den Namen erwähnt. Das sei ein › Propaganda-Blog ‹, das hätte mit der Arbeit von Zur-Sache nichts zu tun.
Zur-Sache, dessen Chefredakteur Reitan ist, ist ein ÖVP-Blog. Das ist transparent ausgewiesen, so ist auch das Selbstverständnis. › Wir sind ein Informationsdienst des Parlamentsklubs der Österreichischen Volkspartei ‹, sagt Reitan, der den Blog gemeinsam mit zwei Redakteuren befüllt. Die meisten Beiträge sind recht klassische, fast langweilige Artikel mit Titeln wie › Maßnahmen gegen illegale Migration ‹.

Die Gründung von Zur-Sache ist aber einer der Gründe, warum das Thema in der Journalisten-Bubble aktuell so hitzig diskutiert wird. Die ÖVP stieg bei den › Owned Media ‹ (Medien, die von Institutionen oder Marken selbst betrieben werden) später ein als andere Parteien. Der Kontrast-Blog, das Medium des SPÖ-Parlamentsklubs, existiert seit 2016, die FPÖ-nahen Medien sogar noch länger. › Wir machen im weitesten Sinne politische Kommunikation ‹, sagt Patricia Huber, Kontrast-Chefredakteurin. Die Redaktion erarbeite sich selbst Themen und rea­giere nicht auf Zuruf, aber passende Vorschläge der SPÖ-Kommunikationsabteilung würden berücksichtigt. Claus Reitan sieht das ein wenig anders. Natürlich sei das, was er und sein Team machen, Journalismus, › im Sinne von Informationen sammeln und aufbereiten ‹.

Die Debatte über parteinahe und echte Parteimedien berührt die Kernfrage, was Journalismus eigentlich zu Journalismus macht. Welche Interessen und Geldgeber dürfen dahinter stehen ? Wie groß darf der Bias sein ? › Die Diskussion über Parteimedien ist legitim ‹, sagt Jakob-Moritz Eberl, Kommunikationswissenschaftler an der Uni Wien. › Die Gefahr ist aber, dass sie für die Biases der klassischen Medien blind macht. ‹

Diese hätten genauso eine Blattlinie, Schwerpunkte und blinde Flecken. › Man muss sich auch bei diesen genau die Finanzierung und Eigentümerstruktur anschauen. ‹
Eine allgemeingültige Definition für Journalismus gibt es nicht. Aber einen Satz des Watergate-Aufdeckers Carl Bernstein, nach dem Journalismus die › bestmögliche Version der Wahrheit, derer man habhaft werden kann ‹ sei. Im Kern des journalistischen Arbeitens liegt – im Gegensatz zu PR oder Aktivismus – eine gewisse Ergebnisoffenheit und die Bereitschaft, sich von seinen Recherchen vom Gegenteil überzeugen zu lassen. Die Redaktion von ZackZack nimmt das für sich in Anspruch. Es wird noch einiges an Überzeugungsarbeit brauchen, bis ihre Kritiker das auch so sehen. Bis dahin ist es aber auch erstmal möglich anzuerkennen, dass die Leute von ZackZack real existierende Probleme der politmedialen Blase aufzeigen. Ohne dass man automatisch Tonalität oder die Lösungen gutheißen muss.

In dem Gespräch mit Walach fällt irgendwann ein Satz, der vielleicht zeigt, warum sich andere Journalisten mit ZackZack schwer tun und umgekehrt. Die Frage, ob sich das Medium in Opposition zur Regierung befinde, bejaht Walach wie aus der Pistole geschossen. › Ich finde, jedes Medium sollte in Opposition zu jeder Regierung sein. ‹ Andere Parteien in der Regierung würde man genauso behandeln.

Martin Baron, der mittlerweile ehemalige Chefredakteur der Washington Post, hat in der Trump-Ära einen berühmten Satz geprägt : ›We are not at war. We’re at work.‹ Bei ZackZack bekommt man dagegen den Eindruck, dass ein wenig beides zutrifft. •

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