Die deutsche Autorin Andrea Jeska besuchte das umkämpfte Land in einem Zeitraum von fast 20 Jahren vier Mal – zuletzt unmittelbar vor der erneuten Machtergreifung der Taliban. Erinnerungen an eine Region und ihre Menschen.
Aus einer Flughöhe von tausend Metern zeigt sich die Ewigkeit in einer Linie von Gipfeln. Unbehaust und gleichgültig liegen die Züge des Hindukusch. Im Sinkflug tauchen Lehmhäuser auf, die mit dem ockerfarbenen Boden verschmelzen. Dörfer, in enge Täler gebaut, Flüsse, die kein Wasser führen. Es ist der 28. Juni 2002, ein dreiviertel Jahr ist vergangen seit 9/11 und dem Beginn des US-amerikanischen Feldzugs gegen die Taliban. Die erste Geberkonferenz für Afghanistan im Januar jenes Jahres brachte eine Zusage von 4,5 Milliarden Dollar für den Wiederaufbau, die einzelnen Aufgaben wurden auf Länder verteilt. Drei Millionen Afghanen seien von Hunger bedroht, hat das Welternährungsprogramm einige Tage zuvor mitgeteilt, und ich will wissen, wie das Leben hinter dieser Zahl aussieht. Ein Dürresommer war auf einen Kriegswinter gefolgt, den ersten von insgesamt 20. Menschen im ganzen Land waren auf der Flucht vor Bomben, Terror, Racheakten. Es wurde nicht gesät, es wurde nicht geerntet.
19 Jahre und einen Monat später, Ende Juli 2021, reise ich zum bisher letzten Mal nach Afghanistan. Da sind die Taliban schon lange auf dem Vormarsch, haben Provinzen und Städte erobert. Während ich dort bin, kapitulieren die Städte Herat und Kandahar. Aus den eroberten Provinzen, aus den Bergdörfern des Hindukusch und aus den Ebenen Zentralafghanistans fliehen die Menschen in die Hauptstadt, in der sie kein Willkommen finden, kaum Hilfe um zu essen, zu schlafen. Der Moloch Kabul, ohnehin zerschunden vom Krieg und vom Terror, immer auf der Hut vor dem nächsten Anschlag, hat keine Ruhe und kein Mitleid für die, die nun ohne Heimat sind. Er verschlingt sie, spuckt sie in seinen dunkelsten Ecken wieder aus – und hat sie sogleich vergessen.
In Kabul glaubt man da noch immer, die Stadt sei uneinnehmbar, geschützt von ihren Mauern und der Armee, vielleicht auch vom Freiheitsdenken, das der Westen brachte und welches die intellektuelle Oberschicht der Stadt für eine Art Schutzschild hält. Dass die Taliban einziehen und alle libertären Bewegungen, Gedanken und Projekte wieder zerstören könnten, scheint unmöglich. Sechs Tage nachdem ich Kabul verlasse, marschieren die Taliban ein.
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