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T-Shirts mit Tragweite

Für die Schwestern Cherrie O. und Leni Charles ist ihr Label › Kids of the Diaspora ‹ mehr als eine Modemarke : Sie nutzen das Unternehmen auch als Kreativagentur – und als Sprachrohr für marginalisierte Gruppen.

DATUM Ausgabe Juni 2021

Die Yorùbá sind ein westafrikanisches Stammesvolk. Sie leben hauptsächlich in Nigeria, aber auch im Nachbarstaat Benin, und sie zeichnen sich durch tiefe Spiritualität aus. Ursprünglich glaubten die Yorùbá an sogenannte Orishas, eine Art Gottheiten, wobei dieser Begriff dem Konzept nicht gänzlich gerecht wird. Heute tun das nur noch wenige, die meisten Yorùbá haben diesen Glauben längst abgelegt – oder beten zu anderen Göttern aus anderen Religionen. Denn den Yorùbá begegnet man mittlerweile auf der ganzen Welt, sie leben auf allen Kontinenten dieser Erde verstreut.

Und trotzdem : Begegnen sich in einem fremden Land zwei einander nicht bekannte Yorùbá, dann sind sie einander alles andere als fremd. Über Landesgrenzen hinweg sind diese Menschen miteinander verbunden – durch etwas, das tief in ihrem Inneren schlummert und sich herzlich wenig um Landesgrenzen oder Entfernungen schert : Zugehörigkeit. Die ­Yorùbá bilden eine Gemeinschaft, sind Teil einer Diaspora. Auch die Spi­ritualität ihrer Ahnen in Nigeria oder Benin wird letztlich vor allem in Form dieses Zusammenhalts an künftige Generationen weitergetragen.

5.000 Kilometer von Westafrika entfernt saßen in Wien vergangenes Jahr zwei Schwestern beisammen und entwarfen ein T-Shirt. Auf die Vorderseite schrieben die beiden den Namen ihres Unternehmens : › Kids of the Diaspora ‹, schwarz auf weiß. Auf die Rückseite ließen sie einen Schriftzug drucken, der in großen Blockbuchstaben über die gesamte Breite des Rückens verlief : Nothing Can Cross Our Spirit. Also in etwa : Nichts kann unseren Geist durchkreuzen.

Das T-Shirt ist Teil einer Mode-Kollektion, die von weitergetragener Spiritualität inspiriert wurde und gleichzeitig eine Hommage an Völker wie die Yorùbá ist. Die beiden Schwestern sind Leni Charles und Cherrie O., aufgewachsen in › Leopoidsdurf ‹, wie Leni Charles sagt, also in der kleinen niederösterreichischen Gemeinde Leopoldsdorf an der Grenze zu Wien. Eine Artdirektorin und eine Künstlerin, deren gemeinsame Mutter österreichisch-tschechische Wurzeln und rotes Haar hat und einst beim Fortgehen in Wien einen nigerianischen Yorùbá kennenlernte – den Vater von Cherrie O. und Leni Charles.

Leni Charles gründete das Label ›Kids of the Diaspora‹ (KOTD) im Jahr 2016. Ihre Schwester Cherrie O. stieg wenig später ein, und › Nothing can cross our Spirit ‹ erschien dann 2020 als zweite große Kollektion. Als Centerpiece entwarfen die beiden einen unverkäuflichen, mintgrünen Overall, der den Geist der Ahnen repräsentieren und ehren soll. Ein unverkäufliches Kleidungsstück im Zentrum eines Labels, das sich nicht zuletzt durch die Einnahmen aus dem Verkauf von Kleidung finanziert – ergibt das denn Sinn ? Absolut, meinen Cherrie O. und Leni Charles. Sie sehen › Kids of the Diaspora ‹ nicht als Modemarke, die mit den großen Modemarken Schritt halten muss. Eigentlich sehen sie ihr Unternehmen überhaupt nicht als reine Modemarke – vielmehr als Kreativagentur, als Plattform zur Generierung von Aufmerksamkeit für marginalisierte Gruppen, als Sprachrohr. Wobei auch hier keiner der genannten Begriffe dem Konzept ganz gerecht wird.

› Klar, wir machen Mode mit Botschaften, und wenn uns jemand als reine Modemarke sehen will, dann ist das auch okay. Durch die Kleidung werden unsere Botschaften ja auch greifbar ‹, erklärt die Gründerin Leni Charles. › Für uns selbst wird Mode zum Medium, und KOTD zu so viel mehr als einer reinen Fashionbrand. Da steckt sehr viel mehr dahinter. ‹ KOTD vereint heute Modeschöpfung mit Aufklärungsarbeit und Diversitätsbestrebungen, produziert Kleidung ebenso wie Gedichte oder Filme und lädt andere Menschen dazu ein, ihre eigene Geschichte raus in die Welt zu tragen. Dabei gibt es, unabhängig vom Medium, eine zentrale Botschaft : Anstatt eines Konzepts, welches von Minderheiten und Grenzen innerhalb der Gesellschaft ausgeht, stärken die Schwestern ein Bild von Einigkeit : › We are all one ‹, heißt es auf der KOTD-Website – also : Wir sind alle eins, egal, woher wir kommen oder wie wir aussehen. Mit jedem Kleidungsstück, Gedicht oder Video wollen Leni Charles und Cherrie O. diesem Gedanken Aufmerksamkeit verschaffen und gleichzeitig das gängige Konzept schrittweise abbauen.

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