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Taten statt Warten

Die Rettung Europas durch die Zivilgesellschaft.

DATUM Ausgabe Februar 2017

Wir schreiben Februar 2017: Der seriellen Kaperung unserer Demokratien steht scheinbar nichts im Wege. ­›Institutionen werden euch nicht retten‹, zitierte ich im Dezember die Hinweise der Politologin Masha Gessen und des Lite­raten Teju Cole. Jüngst gesellte sich zu diesen Stimmen auch der türkisch-­US-amerikanische Ökonom Daron Acemoğlu mit seiner Feststellung: ›Jetzt gibt es nur noch uns.‹

Wen, uns? Wie, jetzt?

Als Bürgerinnen und Bürger haben wir heute an den meisten Orten in Europa noch die Voraussetzungen, die Freiheiten, die Ressourcen und vielfach die Erfahrung, das Wissen und die Talente, um in die Gestaltung unserer politischen Rahmenbedingungen einzugreifen. Wir ahnen jedoch, dass wir da einiges vor uns haben, wenn wir nächsten Generationen Frieden und Vielfalt, lange erstrittene Rechte, Garantien und gültige Vereinbarungen übergeben möchten.

Wenn wir Zivilgesellschaft sagen, dann müssen wir ab sofort konsequent uns selbst meinen – und handeln.

Der Filmemacher und Aktivist Michael Moore schwor jüngst die Demonstranten beim ›Women’s March on Washington‹ darauf ein, sich ab jetzt im Alltag der Demokratie zu widmen. Ein Punkt lautete: Tretet Gruppen bei. Egal ob Gruppen, die sich für zivile Freiheiten, für Menschen- und Minderheitenrechte einsetzen, oder solchen, die sich für die Umwelt und den Klimaschutz enga­gieren.

Legen wir diese Einladung auf Europa um: Wir sind 2017 gefragt. In Frankreich, in Deutschland, in den Niederlanden wird gewählt, in Rom feiern wir Ende März das sechzigjährige Jubiläum der Unterzeichnung der Römischen Verträge, auf denen die Europäische Union beruht. Nun kennt ziviles Engagement keine Grenzen und braucht keinen Eintrag ins Wahlregister. Doch kennen wir überhaupt Gruppen, denen wir beitreten wollten, wenn wir könnten – könnten, wenn wir wollten?

Wer setzt sich eigentlich für die europäischen Grundwerte ein, die uns lieb sind? Wo können wir unseren Bürgerwillen für Europa deponieren, wo Aktivismus lernen und praktizieren?

Ein Startermenü: European Alternatives (euroalter.com), Project for Democratic Union (democraticunion.eu) und European Democracy Lab (eusg.de) sind Neugründungen der vergangenen Jahre. Polis180.org, theeuropeanway.org und europeisnotdead.com laden zum Mitmachen ein. Die Gruppe ›Aufstehen gegen Rassismus‹ in Deutschland gibt Verhaltenskurse für Stammtisch und Supermarktkassa, ›Schmalbart‹ propagiert eine faire und sachliche Debattenkultur. Savedemocracy.camp bietet monatliche Barcamps und Hackdays zu Demokratiefragen in Hamburg an, während das große, erfahrene Netzwerk der Europäischen Föderalisten aus Anlass der EU-Festivitäten Ende März zum ›Marsch für Europa‹ lädt.

Dass Bürgerinnen und Bürger Macht haben, haben wir im Jahr 2016 an einigen Stellen erfahren: In Polen gingen die Menschen gegen zwei geplante Gesetze so zahlreich und hartnäckig auf die Straße, dass die Regierung beide Vorhaben zurücknahm. In Österreich ist Alexander Van der Bellen Bundespräsident geworden. In der Schweiz schaltet sich die junge Operation Libero seit einem Jahr bei Volksentscheiden ein – erfolgreich. Und ein ungarisches Referendum über die EU-Flüchtlingspolitik ist an einer zu geringen Beteiligung gescheitert.