›Kern sieht sich als kleinen Kreisky‹

Über Ikea-Kataloge und Mittagessen mit dem Kanzler.

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Interviewter:
Rainer Nowak, Chefredakteur ›Die Presse‹
DATUM Ausgabe Februar 2017

Haben Sie Vorsätze für 2017?
Menschen besser zuzuhören.

Eine Schwäche von Ihnen?
Das wurde mir zumindest von besonderer Seite attestiert. Dass ich mich zu wenig konzentriere, zu wenig zuhöre.

Und klappt es?
Bis jetzt geht es.

Eine Berufskrankheit, dass Journalisten besser im Reden sind als im Zuhören?
Das Gegenteil sollte der Fall sein. Andererseits ist es oft auch dann eine Herausforderung zu schweigen, wenn man Dinge sehr früh erfährt, über die man nicht sprechen oder schreiben darf, weil man sonst das berühmte ›off the record‹ brechen würde.

Wie gehen Sie damit um?
Es ist schwierig. Oft bricht man es ganz leicht, indem man Dinge den eigenen Leuten andeutet, und die recherchieren es hoffentlich. Es hat sich bei mir aber noch nie jemand beschwert, dass ich mich an eine derartige Gentlemen-Abmachung nicht gehalten hätte. Sehr schlau haben es die Kern-Leute mit ihrem Plan K gemacht.

Sie meinen den späteren Plan A?
Ja. Die haben jene Innenpolitikjournalisten, von denen sie offenbar meinten, sie könnten es selbst herausfinden, vorab informiert. Bei einem Mittagessen drei Tage vor der Präsentation hat der Kanzler mit Flipchart noch die Chefredakteure aller österreichischen Medien informiert.

Nicht aller.
DATUM war nicht geladen?

Nein.
Eine Frechheit.

Auch unsere bisherigen Interview­anfragen hat der Kanzler abgelehnt.
Dann werden wir versuchen, das zu ändern.

Wie war das Mittagessen?
Das Essen, bei dem alle Vertraulichkeit zugesagt hatten, hatte einen interessanten Effekt, wie es mein stellvertretender Chefredakteur Florian Asamer formuliert hat: dass wir uns dadurch …

… haben einkaufen lassen.
… selbst gefesselt haben. Beim Einkaufen kriegt man was dafür, aber wir haben dafür doch nichts bekommen!

Wissensvorsprung und dadurch das Gefühl von Nähe zur Macht.
Na ja, das geht in Österreich schnell. Waren ja alle da.

Nicht alle.
Nicht alle.

Wie beurteilen Sie den Plan A?
Ein politischer Ikea-Katalog. Bunt, hübsch, witzig, sehr werblich gestaltet. Also typisch Kern. Zahlreiche Punkte sind total in Ordnung, kompromissfähig und grundvernünftig – ob das die Nebenkostensenkung ist oder die Arbeitszeitflexibilisierung. Da kann man nur sagen: einfach machen! Hinter dem ganzen Plan steht aber eine andere Position: Kern präsentiert sich als Sozialdemokrat der alten Kreisky-Schule. Tief drinnen glaubt er, dass der SPÖ-Kanzler dafür sorgen muss und kann, dass es den Leuten nicht schlecht geht, sondern dass es aufwärts geht. Er sieht sich schon nach wenigen Monaten als Kanzler als kleinen Kreisky und verspricht Arbeitsplätze und die Segnungen von Vater Staat.

Ist das nicht mehrheitsfähig? Viele scheinen das Gefühl zu haben, der Staat, die Partei habe sie im Stich gelassen.
Natürlich ist das mehrheitsfähig, aber nicht alles, was mehrheitsfähig ist, ist klug und wünschenswert. Wünschenswert wäre es, den Menschen zu sagen: Seid eigenverantwortlich und stellt euch auf eigene Beine. Diese Eigenverantwortung unterläuft Kern. Und gleichzeitig fordert er ein Land von Jungunternehmern und Start-ups. Das passt nicht zusammen.

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