›Wahlkampf ist für uns die langweiligste Zeit‹
Die Karikaturisten Achim Greser und Heribert Lenz zeichnen seit 25 Jahren › Witze für Deutschland ‹. Ein Gespräch über Seppelhüte, Salafisten und die Zeit nach Angela Merkel.
Aschaffenburg liegt im Westen Unterfrankens, also da, wo Bayern an Hessen grenzt. Achim Greser (Jahrgang 1961) und Heribert Lenz (Jahrgang 1958) haben sich bewusst für ein Leben in der Provinz entschieden. Sie würden Witze zeichnen wie andere Brot backen, sagen sie, und so eine Witze-Manufaktur passe eben besser aufs Land. In einem Haus, das in zwei Wohnungen und ein gemeinsames Atelier aufgeteilt ist, sind in den vergangenen Jahrzehnten tausende ihrer notorisch respektlosen, aber ebenso liebevoll ausgestatteten Karikaturen entstanden. › Greser und Lenz haben bundesrepublikanische Geschichte von unten gezeichnet ‹, schrieb die Süddeutsche vor Kurzem über die Männer, die vor allem für Titanic und die FAZ gearbeitet haben. Als DATUM in Aschaffenburg anruft, hebt Achim Greser ab.
Achim Greser: Grüß Gott, Greser hier, der Kollege Lenz hängt noch über einer Zeichnung, aber wir können schon beginnen, er interveniert dann, wenn’s nötig ist.
DATUM : Was zeichnet er denn gerade?
Greser: Es geht um die Impfmuffel. In Deutschland gibt’s von der politischen Klasse sehr widersprüchliche Meldungen, wie man damit umgehen soll. Impfpflicht will keiner fordern, andererseits ist jedem klar, wie deppert und unsolidarisch es ist, wenn man sich sträubt und so zum permanenten Gefahrenherd wird. Seid ihr da vernünftiger in Österreich ?
Leider nicht. Wie greifen Sie das Problem denn zeichnerisch auf ?
Greser: Zu sehen ist eine Autowerkstatt und deren Meister, der zu einem neuen Kunden sagt : Das dauert ewig, das sage ich Ihnen gleich, allerdings, wenn Sie sich impfen lassen, kommen Sie sofort dran.
Klingt lustig. Wie zeichnet man eigentlich zu zweit eine Karikatur ?
Greser: Das tun wir nicht. Das Bild selbst zeichnet immer nur einer von vorne bis hinten, aber die Idee entwickeln wir gemeinsam. Wir ergänzen sie, kritisieren sie, manchmal verwerfen wir sie auch. Das hat sich als sehr produktiv erwiesen. Die Ausführung teilen wir uns auf, einfach so nach einem Fairness-Prinzip, damit keiner sich die Finger wund zeichnet während der andere Däumchen dreht.
Sie zeichnen seit 25 Jahren wöchentlich mehrere Karikaturen für die FAZ. Eine Auswahl davon ist gerade als Buch erschienen, außerdem hat Ihnen das Caricatura Museum in Frankfurt eine Ausstellung gewidmet. Auf welche Zeichnung sind Sie besonders stolz ?
Greser: Es gibt eine, die international die größte Aufregung verursacht hat. Das Thema war 50 Jahre Türken in Deutschland. Da haben wir ein sehr harmonisches, integrationsfreundliches Bild gezeichnet, nämlich eine Almhütte, die von einem Türken bewirtschaftet ist und den Namen ›Üzrüms Alpenglück‹ trägt. Und dieser Üzrüm hat zwei so Bergmenschen mit Seppelhut und ähnlich folkloristischen Kleidern zu Gast, der eine raucht Schischa, der andere hat eine Brotzeit vor sich und macht ein Gesicht, als ob ihm die nicht bekäme. Sagt der türkische Wirt zu ihm : Himmiherrgottsakrament, was guckstdu ? Hast du bestellt Brotzeit mit scharf ! Und im Hintergrund sieht man die Hütte des Hüttenhundes, und da steht der Name Erdoğan drauf. Das blieb zunächst auch unbeanstandet, bis die Zeichnung in einem Schulbuch nachgedruckt wurde. Da ging dann eine Empörungswelle in der türkischen Gemeinde los, die letztlich bis nach Ankara reichte und dazu führte, dass Erdoğans Außenminister den deutschen Botschafter einbestellte.
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