›Wir bringen niemanden um‹

Gross, Kampusch, Fritzl: Wolfgang Höllrigl machte die Schlagzeilen, die Menschen morgens in der U-Bahn lesen. Was bleibt von einem Leben am Boulevard?

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Fotografie:
Thomas Gobauer
DATUM Ausgabe September 2018

Servus, ich bin der Wolfgang.‹ Der Mann im knallgelben Polo, der sich selbstironisch einen ›Bluthund des Boulevards‹ nennt, grüßt freundlich. Man merkt sofort, dass es sein Job ist, die Distanz zum Gegenüber zu überwinden. Wenn man ihn siezt, kommt ein ›Wir sind per Du‹ zurück. Der Satz, der in dem einstündigen Gespräch am öftesten fällt, ist ›Pass auf, dazu gibt es eine gute Geschichte.‹

Wolfgang Höllrigl, 65, blickt auf eine lange Karriere im österreichischen Boulevard- und Chronikjournalismus zurück. ›Geschichten mit Rot- und Blaulicht‹, wie er es selbst nennt. Höllrigl war bei Fellners Basta, Chefredakteur beim Wiener, Chronikchef von Österreich, am Ende Chefreporter der Heute. Er war bei jeder größeren Story der letzten Jahrzehnte mittendrin, hat genauso Nazi-Kriegsverbrechen aufgedeckt, wie im Privatleben von Opfern gewühlt. Seit August ist Höllrigl offiziell in Pension und arbeitet nur noch aushilfsweise. Zeit für ein Gespräch.

 

DATUM: Gibt es eine Frage, die dich wirklich ärgern würde?

Höllrigl: Nein. Ich wüsste nicht, wo du mich erwischen könntest. Alles, was ich gemacht habe, zu dem stehe ich.

Entwickelt man als Boulevardjournalist über die Jahre eine dicke Haut, was Kritik angeht?

Natürlich fragen mich ständig Leute, warum ich immer Boulevardjournalist war. Früher habe ich versucht zu argumentieren: Boulevard-Medien haben eine besondere Qualität. Sie müssen ein großes Publikum interessieren und setzen daher auf Themen, die viele spannend finden: Schicksale, Affären, Kriminalität, Menschen vor Gericht. Gut geschrieben, ist das starker Stoff. Also habe ich nie verstanden, wofür ich mich rechtfertigen sollte. Aber ständige Erklärung nervt. Deshalb sage ich heute meist: Wäre ich Musiker geworden, hätte ich auch lieber in der Stadthalle gespielt als in einem Albert-Severin-Saal. Und das geht nicht mit Kammermusik, sondern mit Rock’n’Roll.

Wie bist du aufgewachsen?

Im bürgerlichen Milieu. Mein Vater hatte eine Fahrschule, war eher konservativ. Meine Mutter war bei den SPÖ-Kinderfreunden. Ich war ganz sicher nicht konservativ. Ich hab nach der Matura als Discjockey, so hieß das damals noch, im Wiener Lokal Take Five gearbeitet. Nebenbei hab ich Publizistik studiert. Das war damals ein völlig einfaches Studium. Es war alles easy, ich hatte ganz gute Noten. Als ich meine Dissertation abgegeben habe, hat sie mir eine Professorin zurückgeschickt: Ein Kapitel sei nicht in Ordnung. Gleichzeitig sitz ich in Wien in einem Café und sehe eine Anzeige für eine Lehrredaktion im Profil. 600 haben sich beworben, 50 haben sie eingeladen. Am Ende haben sie zwei Leute angestellt, darunter mich. Das hab ich als Fügung betrachtet.

Hast du das Studium noch fertig gemacht?

Nein. Siehst du, jetzt hast du eine Frage gefunden, die mich ärgert: Warum hab ich’s nicht fertig gemacht?

Und, warum?

Weil ich ein Trottel bin. Aber es war überwältigend damals. Ich hab als junger Mensch mit 6000 Schilling Gage angefangen. Aber es ging blitzartig rauf. Nach 18 Monaten hab ich das Dreifache verdient, nach drei Jahren das Sechsfache. Das kann man sich heute kaum noch vorstellen.

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