›Wir haben eine Art Schweigepflicht‹
Name : Ivana Dilberović, 45
Beruf : Friseurin und Geschäftsführerin des Salons Yvonne
Während der Lockdowns wurde Haareschneiden zur Privatsache. Wie fanden Sie die neuen Frisuren Ihrer Kunden?
Oh, es gab einige Baustellen! Viele Frauen haben ihren Männern mit gewöhnlichen Scheren zu Hause selbst die Haare geschnitten. Aber wir haben es mit Humor genommen und in der Zeit viel zu lachen gehabt.
Wie bilden Sie sich weiter?
Wir buchen Seminare hier im Geschäft. Die kosten, und deswegen machen wir das selten. Und unsere Kunden hier in Ottakring wollen keine ausgeflippten Frisuren. Die neuesten Trends funktionieren im Stadtzentrum.
Sagt die Frisur eines Menschen etwas über seinen Charakter aus?
Ein wenig, ja. Damen, die natürliche Locken tragen und ihre Haare naturtrocknen lassen, sind meist entspannter und lebenslustiger als Frauen, die stumpfe, also ungestufte Frisuren tragen und perfekt gestylt sind.
Sind Sie Seelsorgerin für Ihre Kunden?
Ja, Kunden erzählen mir vieles. Besonders ältere und etwas einsame Frauen haben das Bedürfnis zu reden. Ich kann mittlerweile einschätzen, ob jemand mit mir sprechen will, Ruhe braucht oder traurig ist.
Warum erzählen die Leute Friseuren eigentlich so gern Intimes?
Das hat viel mit Vertrauen zu tun. Wir Friseure haben eine Art Schweigepflicht. 99 Prozent meiner Kunden sind Stammkunden und kommen schon seit vielen Jahren. Ich kenne ihre Geschichten und erlebe, wie sie aufwachsen oder in Pension gehen.
Gibt es auch Tage, an denen Sie keine Lust auf Smalltalk haben?
Ja. In Pandemiezeiten trage ich zum Glück Maske und habe eine Ausrede, um nicht plaudern zu müssen. Manchmal bin ich froh, dass der Föhn laut ist.
Wie viel verdienen Friseure?
Als Geschäftsführerin bekomme ich, was am Monatsende übrigbleibt. Das ist unterschiedlich. Angestellte Friseure bekommen etwa 1.400 Euro netto, das kann je nach Qualifikation steigen. Mit Trinkgeld und Prämien kommt man durch.
Wie viel Trinkgeld sollte man beim Friseur geben?
Wenn man zufrieden ist, sollten mindestens zehn Prozent vom Preis drin sein.
Was ärgert Sie an Ihrem Beruf?
Dass Chefs wie ich kaum Zeit für ihre Lehrlinge haben. Ich höre oft, dass viele nur zusammenkehren und Dauerwellen wickeln. Das finde ich falsch. Deshalb nehme ich erst gar keine Lehrlinge.
Wie körperlich anstrengend ist Ihr Job?
Ich stehe den ganzen Tag, meine Füße leiden. Viele Friseure haben Probleme mit der Halswirbelsäule, weil wir uns beim Arbeiten nach vorne beugen. Ich versuche, richtig zu sitzen und zwischendurch meine Schultern zu lockern. Außerdem lasse ich mich massieren, um die ungesunde Haltung auszugleichen.
Sie machen diesen Job seit 30 Jahren. Wie hat er sich verändert?
Frisuren verändern sich, aber Trends kommen zurück. Als Lehrmädchen habe ich gelernt, Pagenschnitte, Bobs oder Stirnfransen zu schneiden. Das ist jetzt alles wieder modern. •