Zum Schwerpunkt: Editorial von Kuratorin Daniella Spera

Zum Schwerpunkt: Editorial von Kuratorin Danielle Spera

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Illustration:
Blagovesta Bakardjieva
DATUM Ausgabe November 2021

Ein anderer Blick auf das Judentum

Wo stehen wir heute, wenn wir Wien, Österreich und das Judentum betrachten? Wie lässt sich das Judentum in Wien heute definieren? Was sind die Fakten, die Herausforderungen, die positiven Aspekte? Was bedeutet es in Wien als Jude, als Jüdin zu leben? Fragen, die wir oft gestellt bekommen und die in dieser Ausgabe von DATUM einen Schwerpunkt bilden.

Die jüdische Geschichte Österreichs ist keine kontinuierliche, sondern gekennzeichnet von vielen Brüchen, Vertreibungen und Pogromen bis hin zur Schoah. Dennoch sind Österreich und die österreichischen Jüdinnen und Juden untrennbar miteinander verbunden. Um 1900 war jede zehnte Wienerin, jeder zehnte Wiener Jude, nach Warschau und Budapest bestand hier die drittgrößte jüdische Gemeinde Europas. Auch wenn die Jüdische Gemeinde heute verhältnismäßig klein erscheint, ist sie besonders vielfältig: Von ultraorthodox bis liberal wurde eine Infrastruktur aufgebaut, die sich international sehen lassen kann.

Der beginnende November ist in Österreich dem Gedenken an die Pogrome des Jahres 1938 gewidmet. In den Tagen um den 9. November finden unzählige Veranstaltungen zur Erinnerung an die Gewaltausbrüche gegen Jüdinnen und Juden statt. Gleichzeitig sehen wir uns kontinuierlich mit Statistiken über den weltweit wachsenden Antisemitismus konfrontiert. Dem gilt es Positives gegenüberzustellen: das beeindruckende Interesse und die Aufmerksamkeit der Menschen für das jüdische Leben, die jüdische Tradition und die jüdische Kultur. Mir ist es wichtig, die Vielfalt und die Kraft des heutigen Wiener Judentums zu zeigen und gleichzeitig auch deutlich zu machen, dass die Gemeinden in den Bundesländern um den Zuzug von jüdischen Familien ringen. Aussterben oder Wachsen – wie sollen die Gemeinden in den Bundesländern aufleben? Auch diesem Thema sind wir nachgegangen.

Die Tatsache, dass ›Shtisel‹ eine der erfolgreichsten Serien auf Netflix darstellt, ist ein Phänomen, das das enorme Interesse am Judentum illustriert. In ›Shtisel‹ wird eine orthodoxe jüdische Familie porträtiert, die ein ganz normales Leben führt. Ein Alltag, wie überall, erfüllt von Arbeit, Familienleben, Beziehungsproblemen, Liebe oder Trauer. Mit dem Unterschied, dass die Protagonistinnen und Protagonisten orthodoxe Juden sind. Ganz im Gegensatz zum Schwarz-Weiß-Bild, das der autobiografische Film ›Unorthodox‹ vom Leben der jüdischen Orthodoxie liefert. Ein Bild, das ich durch meine vielschichtigen Begegnungen mit meinen Freundinnen aus der Wiener Orthodoxie nicht bestätigt sehe. Hier bin ich Michal Grünberger für ihre offenen Worte besonders dankbar.

Wichtig war mir, Ihnen einen anderen, einen besonderen Blick auf das Wiener, auf das österreichische Judentum zu bieten. Vor uns steht das Chanukka-Fest, das Lichterfest, das uns zeigt, dass wir auch in schwierigen Zeiten die Hoffnung nicht schwinden lassen sollen, dass auch kleine Gruppen etwas Großes bewirken können, wenn sie etwas zum Guten verändern wollen. In diesem Sinn möchte ich mich herzlich bei der DATUM-Redaktion für die Zusammenarbeit bedanken. •

 

Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre  !

Ihre Danielle Spera

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