›Alle haben uns verraten, auch der Westen‹
Das kleine Armenien muss 100.000 Geflüchtete aus Berg-Karabach versorgen und fürchtet einen weiteren Angriff Aserbaidschans. Als Schutzmacht hat Russland versagt – aber wo sind neue Verbündete?
Jemand hat Narine Agarumjan den Link zu einem Tiktok-Video geschickt. Ein Garten ist da zu sehen, eine Laube, ein kleiner Swimmingpool und eine Schaukel. Der Garten gehört zu einem Haus in der Region Berg-Karabach, in dem Agarumjan aufgewachsen ist und in dem die heute 51-jährige Armenierin lebte – bis zu ihrer Vertreibung durch die aserbaidschanische Armee.
Das Video wurde vermutlich in den vergangenen Wochen aufgenommen, von aserbaidschanischen Soldaten. Ein junger Mann in Tarnuniform schaukelt vergnügt in Agarumjans Garten und spricht in die Kamera. Auch wenn die Armenierin ihn nicht versteht, die Botschaft ist ihr klar: ›Er will mir zeigen, dass ich mit meiner Familie nie mehr in unser Haus zurück kann‹, sagt Agarumjan beim Gespräch in einem Sozialzentrum in Jerewan.
Dass Agarumjan das Video erhielt, ist für die Sozialarbeiterin Elina Mechitarjan kein Zufall. Sie betreut in der armenischen Hauptstadt Jerewan geflüchtete Frauen aus Berg-Karabach: Die Aserbaidschaner stellten bewusst Bilder von leeren armenischen Häusern und zerstörten armenischen Friedhöfen auf Tiktok oder Instagram, sagt Mechitarjan: ›Sie wollen uns einschüchtern. Das ist psychologische Kriegsführung.‹
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