Bieriger Etappensieg
Warum Männergruppen in Wien gerne auf Seidl-Rallye gehen.
Zum Essen gehört auch das Trinken, zum Trinken gehört der Alkohol, und dazu gehören Rausch und Exzess. Unsere Kultur hat ihre Arten, Besäufnisse in sozial anerkannte Formen zu bringen und durch Spielereien davon abzulenken, was Betrunkensein eigentlich ist, nämlich sich eine kleine Vergiftung zuzufügen. Eine seit einiger Zeit in Wiener Männergruppen verbreitete Trink-Spielerei mit sportlichem Wettkampfaspekt ist die Seidl-Rallye. Die Regel der Seidl-Rallye lautet, dass innerhalb eines Tages in allen 23 Wiener Bezirken (mindestens) ein kleines Bier pro Bezirk getrunken werden muss. Die Neurotischeren machen sich gar mit Listen auf, in denen sie eintragen, wann sie wo wieviel konsumieren. So ist das mit dem Älterwerden, alles muss seine Ordnung haben.
Ziel sind jedenfalls etwas mehr als siebeneinhalb Liter Bier auf einige Stunden verteilt. Üblicherweise werden die Seidln in eher ranzigen Windn, in Tschocherln voller urigem Lokalkolorit eingenommen, und üblicherweise bekommen die Männergruppen Applaus und allerlei Zuspruch, wenn sie deklarieren, was ihre Mission ist. Die Umgebung, Kellner, Nachbartische, helfen gerne mit, feuern an, denn die meisten Menschen erkennen Trinkeifer an, und selbst wenn sie ihn belächeln, schwingt trotzdem noch ein Stück Neugierde mit, wer es denn bis zum Schluss und wer es immerhin zu einer fortgeschrittenen Station schaffen wird. Denn trotz fettiger Unterlage (Schnitzel, Pizzas, Kebabs, Würste) halten nicht alle durch, auch das ist ein Teil der Rallye. Während der Tour ermutigen die Männer sich gegenseitig, sie beschwören die Gruppe und das gemeinsam schwankende Hochgefühl. Jene, die es bis zum Ende durchziehen, werden noch Monate später im Freundeskreis bewundert.
Meist planen die Männergruppen diese Rallyes vorab wie einen Kurzurlaub von ihrem Alltagsselbst, mit festgelegten Routen quer durch die Stadt, an Orte, an die sie sich sonst nicht trauen würden, es aber an diesem besonderen Tag dürfen. Während ihre Frauen zu Hause ausharren und abends vielleicht sicherheitshalber ein Kind zu sich ins Ehebett legen, damit die spätnachts heimkehrenden, nach Fuselölen stinkenden Männer ihren Triumph auf der Couch ausschlafen. Als dann kurz einsame Sieger. •
Mögliche Touren zum Nachtrinken gibt es auf www.seidlrallye.at