Der Unfassbare

Seit fünf Jahren verfolgt die eidgenössische Justiz den Österreicher Kurt Goger mit einem internationalen Haftbefehl. Er soll den größten Lohndumpingskandal der Schweiz verschuldet haben. Der Unternehmer hat sich jedoch in seine Heimat abgesetzt – und ist hier nach wie vor auf freiem Fuß.

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Illustration:
Nadine Hermann
DATUM Ausgabe Juli/August 2023

Ein kurzes, sattes ›Klack‹ verhallt im Wald rund um das zweite Loch am Golfplatz Gut Freiberg in der Steiermark. Kurt Goger senkt den Golfschläger, hebt die weiß behandschuhte Hand und schirmt die Augen ab. An diesem Freitag im Mai wirft er einen langen Schatten auf das 14 Millimeter hohe Gras. Dunkelblaues Polo, weiße Hose, braun gebrannt. So steht er da und schaut der Nachmittagssonne entgegen. Und der kleine weiße Golfball, der fliegt.

Der Mann, der am Gleisdorfer Rasen fast täglich abschlägt, wird in der Schweiz polizeilich gesucht. Am 12. November 2018 erließ die Züricher Staatsanwaltschaft gegen Kurt Goger einen internationalen Haftbefehl, um ihn in die Schweiz zurückzubringen und ihm den Prozess zu machen. Denn dort führt die Justiz seit sieben Jahren ein Strafverfahren gegen den burgenländischen Unternehmer. Es umfasst 14 Deliktkomplexe, 13 Straftatbestände und rund 150 Geschädigte. Der Vorwurf lautet: Kurt Goger habe ungarische Arbeiter ausgebeutet, systematisch jahrelang um die Hälfte ihres Mindestlohns betrogen und eine Schattenbuchhaltung geführt, um alles zu vertuschen.

Der Österreicher spielt die Hauptrolle im größten Lohndumpingskandal in der Geschichte der Schweiz und hat dort mit seinen Taten für große Empörung gesorgt. ›Ich möchte, dass Herr Goger, das Schwein, seine gerechte Strafe bekommt. Er hat mein Leben zerstört‹, sagt seine ehemalige Sekretärin. ›Arschloch‹ und ›Gauner‹ nennen ihn Ex-Vertraute und Geschäftspartner. ›Er hat unsere Klienten in gewaltigem Umfang beschissen‹, sagt der Anwalt eines Geschädigten. ›Es war falsch. Es tut mir leid, dass ich da mitgewirkt habe‹, sagt einer seiner wichtigsten Komplizen.

Kurt Goger selbst sagt seit seiner Einvernahme am 29. November 2017 gar nichts zu all dem. Damals hat er die Vorwürfe bestritten. Für ihn gilt die Unschuldsvermutung.

Sein neues Leben in der alten Heimat kann Goger offenbar sorgenfrei genießen, solange er bis zur Verjährung der ihm vorgeworfenen Delikte keinen Fuß mehr in die Schweiz setzt, befürchten die Anwälte der Geschädigten. Inzwischen bastelt er sogar an neuen Geschäftsideen und golft mit seiner Seniorenmannschaft steiermarkweit. Kurt Goger spielt auf Zeit, doch inzwischen droht ihn sein langer Schatten auch am Gleisdorfer Golfplatz wieder einzuholen. Denn die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, kurz WKStA, hat seit Juni 2022 die Strafverfolgung übernommen. Bei einer Verurteilung erwarten ihn bis zu zehn Jahre Haft.

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