Die Bausparer
Es gibt viele Beispiele, wie man die knappe Ressource Boden besser schützen und nützen kann. Hier stellen wir aus jedem Bundesland eines vor.
G’scheit bauen in Kärnten
›Wertvolle Baukultur kann jeder erkennen‹, sagt Elias Molitschnig, ›aber leider besteht immer noch viel Unwissen, vor allem in der Politik.‹ Molitschnig will genau das ändern. Er ist zuständig für kommunales Bauen beim Land Kärnten und weiß: Unwissen oder nicht, Gemeinden fällen trotzdem ständig raumplanerische Entscheidungen. Deshalb und auch weil Kärnten mit dem größten Flächenverbrauch pro Kopf in Österreich zu kämpfen hat, hat Molitschnig einen Lehrgang zu Baukultur und Raumplanung für Gemeinden entwickelt.
Wie in einer Schulklasse sitzen dabei mehrmals im Jahr je zehn Bürgermeister, Planer und Verwaltungsmitarbeiter auf Holzsesseln und hören sich verschiedene Expertenvorträge an. Der Lehrgang setzt bei einem Wissensstand von erstsemestrigen Studienanfängern an und soll vor allem Angst nehmen. Viele der Zuständigen hätten Sorgen, dass sie alles nur komplizierter machen könnten, wenn sie sich als Gemeinde für gute Baukultur einsetzen. ›Das ist aber alles andere als kultureller Firlefanz‹, sagt Molitschnig, ›da geht es um elementare Aspekte des Zusammenlebens.‹
Die Idee ist, auf drei Ebenen zu sensibilisieren, die sich alle gegenseitig beeinflussen: Politik, Planung und Verwaltung. Neben Vernetzung und fachlichen Vorträgen präsentieren auch in Sachen Baukultur weiterentwickelte Gemeinden eigene Vorbild-Projekte, die sie bereits umgesetzt haben.
Ein Beispiel ist das Drauforum, ein neues Veranstaltungszentrum in Oberdrauburg. Im Ortskern ›umarmt‹ es einen MPreis-Supermarkt und ein kleines Café. Auf dem Dach des MPreis thront nun eine hölzerne Veranstaltungshalle. Ein Museum ist neben dem Café eingezogen und hat damit einen 30-jährigen Leerstand beendet. Alles ohne einen weiteren Quadratmeter Boden zu versiegeln oder den Supermarkt temporär zu schließen.
›Wenn schon bauen, dann g’scheit‹, fasst Molitschnig den Hintergedanken des Lehrgangs zusammen. Inzwischen wird das Konzept in andere Bundesländer exportiert. In der Steiermark zum Beispiel wird schon gelehrt. Mit Tirol und Oberösterreich steht man im Austausch. Wissenslücken in der Baukultur bestehen eben nicht nur in Kärnten, schließen will sie Molitschnig aber möglichst überall.
Vorarlbergs freie Wiesen
Wenn die öffentliche Hand nicht schützend über die verbleibenden Wiesen wacht, dann machen wir es eben selbst. So in etwa lautete der Gedanke des Vorarlbergers Martin Strele, als er und einige Mitstreiter 2011 den Verein ›Bodenfreiheit‹ ins Leben riefen. Ihre Idee ist einfach: Der Verein sammelt Geld und kauft damit Boden. Transparent und uneigennützig. ›Der einzige Zweck‹, so sagt es Strele selbst, ›ist die Erhaltung der Natur, damit in Zukunft unsere Kinder nicht am Kunstrasen, sondern auch im Gras Fußbälle kicken können‹ .
Durch das Erwerben von ausgewählten Flächen an Schlüsselstellen verhindert der Verein, dass Grünstriche in Zukunft zubetoniert werden können. Anstatt etwas zu verbieten oder Menschen gar zu enteignen, tritt Strele in den Markt ein.
Zum Beispiel in Lochau. Dort hat der Verein eine 50 Quadratmeter große Fläche erworben und darauf eine Bank mit Blick auf den Bodensee aufgestellt. Zuvor hatte Strele die dortige Gemeinde gefragt, ob das Blickfenster in Zukunft grün bleiben soll. Die Antwort lautete ja. ›Also haben wir uns gedacht: Na, dann helfen wir‹, sagt Strele. Manche Bürgermeister würden seine Initiativen schätzen, andere weniger.
Die Mittel zum Kauf sammelt der Verein ›Bodenfreiheit‹ über einen jährlichen Mitgliedsbeitrag von je 30 Euro bei gut 600 Mitgliedern ein. Mittlerweile erbt er außerdem Hinterlassenschaften und erhält Großspenden. Jährlich generiere er so im Schnitt bis zu 100.000 Euro. 32.000 Quadratmeter hat der Verein so erworben oder in seine Dienstbarkeit gestellt – also Rechte an Flächen erkauft, die ebenfalls eine Bebauung dauerhaft verhindern.
Der Verein kauft die freien Flächen nicht nur, sondern nutzt die Wiesen auch für Bildungsarbeit. Mitglieder pflanzen gemeinsam mit Anrainern Bäume, bilden Lehrpersonen aus, mähen, säen und legen Heukartoffeln. Denn Grundbesitz sei Verantwortung und nicht Spekulation, so Strele.
›Es ist kein ideologischer Kampf, den wir hier führen‹, sagt Strele. Trotzdem hätte vor allem zu Beginn immer wieder das Telefon geklingelt. Menschen, die in Vorarlberg etwas zu sagen haben, hätten minutenlang in den Hörer gebrüllt. Alles Schall und Rauch für Strele. ›Streit vergeht‹, sagt er, ›was bleibt, sind freie Wiesen und eine Zukunft für die Natur und uns‹.
Wiener Flächenrecycling
Lange stand das OMV-Gebäude in der Grellgasse 3 leer, bis der Eigentümer es 2019 abreißen ließ. Statt des schmucklosen Büros des teilstaatlichen Mineralöl-Konzerns stehen an derselben Stelle in Floridsdorf nun 334 geförderte Mietwohnungen. Und damit ein Musterbeispiel in Sachen Umnutzung.
Schon verbaute, aber verlassene Grundstücke neu zu nutzen, statt anderswo neu zu bauen, nennt sich Flächenrecycling. Vor allem innerhalb von Städten ist freier Boden knapp. Während man Neubauten früher vermehrt auf grüne Wiesen stellte, ›einfach weil es weniger Probleme beim Bau macht‹, wie es die Landschaftsarchitektin Carla Lo formuliert, gehe der Trend nun in Richtung Umnutzung.
Lo hat die Wohnungen in der Grellgasse mitgeplant und gestaltet mit ihren anderen Arbeiten das Stadtbild von Wien wesentlich mit. Flächenrecycling, sagt Lo, sei eine wichtige Methode, um den exzessiven Bodenverbrauch in Österreich einzudämmen. Vor allem ungenutzte Gewerbe- und Industrieflächen, wie das ehemalige OMV-Büro, eignen sich für eine Umnutzung. Laut Umweltbundesamt gab es bereits 2017 50 Millionen Quadratmeter solcher industrieller Brachflächen, auf denen zum Beispiel Wohnraum neu entstehen könnte. Das übersteigt die Fläche Wiens.
In der Grellgasse wählte das Team um Lo den harten Weg der Umnutzung. Das alte Bürogebäude wurde vollständig abgetragen, die Fläche freigeräumt. Zu den Besonderheiten der Grellgasse zählt aber, dass alte Bauteile in der neuen Gestaltung wiederverwendet wurden. Geländer aus dem Foyer wurden zu Fahrradständern, ein Fensterputzer-Lift und Teile der Stahlbeton-Fassade zu Elementen im Grünraum der Wohnhäuser.
Carla Lo wäre es natürlich lieber, man müsste gar nicht recyclen – weder Fläche noch Bauteile. Gebäude sollten vieles können, Flexibilität zahle sich langfristig aus. Eine Umnutzung ohne Umbau spare Flächen, Kosten und Platz. ›Denn wir haben unsere Städte größtenteils fertig gebaut‹, sagt Lo, ‹die Zukunft liegt im Bestand‹.
Umsorgte Innenstädte in der Steiermark
Was Erich Biberich den ganzen Tag macht, kann er in einem Satz beantworten: ›Die richtigen Leute zum richtigen Zeitpunkt zusammenbringen.‹ Biberich ist Innenstadtkümmerer von Trofaiach und damit im weitesten Sinn laut eigener Aussage auch ›Datingcoach‹. Nämlich für Hausbesitzer, Einwohner und Geschäftsleute im Sinne der Stadtentwicklung.
Trofaiach hat seinen Erneuerungsprozess schon 2015 begonnen. Seither redet Biberich ständig mit Menschen und überlegt sich, was seine Innenstadt noch braucht. Aktuell hilft er einem ukrainischen Paar, das eine Bäckerei eröffnen will, eine Konzession bei der WKO zu bekommen. Aber Leerstand füllen ist eigentlich nur ein kleiner Teil seiner Arbeit, ›Leute sammeln‹, wie er es ausdrückt, dagegen sein Hauptgeschäft. In den letzten Jahren hat er mehr als zweitausend Einzelgespräche geführt. Er schlägt Gebäudesanierungen vor, regt Hausverkäufe an und vermittelt den Eigentümern interessierte Geschäftsleute. ›Von meinen hundert innerstädtischen Hausbesitzern kenne ich jeden persönlich‹, sagt der Innenstadtkümmerer, ›die Kunst dabei ist, dranzubleiben‹.
Biberich wirkt als Magnet für die Innenstadt. Die Trofaiacher Musikschule hat man aus der Peripherie zurück in den Ortskern geholt. An ihrem ehemaligen Standort steht jetzt ein Ärztezentrum. ›Wir haben zu wenig Fläche‹, sagt er, ›also können und wollen wir gar nicht wachsen als Stadt‹. In Trofaiach achtet die Gemeinde dank Biberich darauf, keine grünen Wiesen zu verbauen. Als Innenstadtkoordinator ist er auch für den öffentlichen Raum im Zentrum zuständig, begrünt ihn und füllt ihn mit Sitzgelegenheiten.
Mit Bürgerbeteiligung hat vor sieben Jahren alles begonnen. Fast ein Zehntel aller Trofaiacher hatte 800 Vorschläge für eine bessere Stadt eingebracht. Auch heute führt Biberich das weiter. ›Je mehr man die Bevölkerung einbindet, desto zufriedener ist sie dann im Prozess‹, sagt er. Das Land Steiermark setzte erst kürzlich einen zentralen Ortskernkoordinator ein, der landesweit gegen das Sterben der Stadtzentren wirken soll. Eine Entwicklung, die Biberich begrüßt: ›Jemand, der auf das Ortszentrum schaut, tut jeder Stadt gut‹.
Die Schwammstädte von Niederösterreich
Neben dem Schwimmbad in Horn liegt ein Parkplatz, den die Ortsbewohner landläufig ›schirch› nennen. Hunderte Quadratmeter alter Asphalt, den die Gemeinde aufreißen möchte, um nun einen neuen Parkplatz zu bauen. Es sind Gelegenheiten wie diese, die Johannes Selinger nützen will.
Gemeinsam mit der ›Arbeitsgruppe Schwammstadt‹ verfolgt er seit einigen Jahren das Ziel, das gleichnamige Prinzip in möglichst viele Gemeinden zu tragen. Es handelt sich dabei um eine Bauweise, die Stadtbäumen das Überleben im Straßenraum sichert. Asphaltierte Flächen werden aufgerissen und dann so bebaut, dass sowohl Bäume wachsen als auch Autos fahren können.
›Entsiegelung‹, sagt Selinger, ›das ist ja nichts anderes, als den Kontakt zu versickerungsfähigem Boden wiederherzustellen‹. Selinger formuliert Komplexes unkompliziert, um auch den klimaschutzskeptischsten Gemeinderat von der Schwammstadt überzeugen zu können. Dafür hat er drei Grundsätze aufgestellt.
Kein Grün ohne Blau: Nur wo Boden genug Niederschlagswasser speichert, überlebt die Natur langfristig. Die Schwammstadt kann Bäume auch in Trockenperioden mit Wasser versorgen und schützt obendrein vor Überschwemmungen.
Baum braucht Raum: Sowohl die Baumkrone als auch das Wurzelwerk müssen sich ausbreiten, um oberirdisch Schatten zu spenden und unterirdisch überleben zu können. Mit Selingers Planung verursachen die Wurzeln weder Schäden an der Oberfläche noch an Rohren im Untergrund.
Mut zur Lücke: Damit Bäume wieder wachsen können, müssen versiegelte Flächen erst einmal aufgebrochen und die schlechte, dichte Erde darunter abgetragen und mit dem passenden Substrat ersetzt werden.
In Horn, wo gerade sieben Bäume nach dem Schwammstadt-Prinzip gepflanzt werden, hat ein Bagger Anfang April bereits die ersten Asphaltstreifen aufgerissen. Noch vor dem Sommerbeginn sollen die Bauarbeiten enden. Zwischen 7.000 und 10.000 Euro kostet ein Schwammstadt-Baum – je nachdem, wie der Untergrund beschaffen ist. Unter dem Parkplatz in Horn zum Beispiel liegen die Reste eines alten Sägewerks. Das treibt den Preis in die Höhe.
›Die Schwammstadt ist unbestritten mit Mehrkosten verbunden‹, sagt Selinger, ›aber wer gesunde Bäume im Ortsgebiet will, wird darum nicht herumkommen‹.
Burgenländische Raumplanung
Burgenlands Supermärkte im Ortskern lassen sich an einer Hand abzählen. In Deutschkreutz oder Horitschon stehen solche Best-Practice-Beispiele. Doch sie sind die Ausnahme. Burgenländer beanspruchen die meiste Verkaufsfläche pro Kopf in Österreich, gleichzeitig verschwinden solche Flächen aus ihren Innenstädten.
Mit einer Novelle des Raumplanungsgesetzes will Österreichs östlichstes Bundesland das nun ändern. ›In Zukunft dürfen Lebensmittelgeschäfte nur noch im Ortskern errichtet werden‹, sagt Peter Zinggl, Landesplanungs-Hauptreferatsleiter im Bundesland. Das neue Gesetz verpflichtet und begrenzt auf mehrere Arten. Die entscheidende Passage aber verlangt, dass – wenn vorhanden – mindestens drei ›zentrumsbildende Einrichtungen‹ in einem Umkreis von 500 Meter um neu errichtete Lebensmittelmärkte liegen müssen. Stehen Gemeindeamt, Kirche, Kindergarten, Schule, Gastronomiebetrieb oder Arzt nicht in unmittelbarer Nähe, darf nicht gebaut werden. Eine Sonderregelung gibt es für kleine Nahversorger in kleinen Orten.
Dem Gesetz ging das Erkenntnis voraus, dass mit den bereits gebauten Supermärkten ohnehin schon eine Vollversorgung der Bevölkerung besteht. Zwar konnte das Land ob der fehlenden Kompetenz nicht gewerberechtlich den Supermarktbau beschränken, sehr wohl aber im Rahmen der Raumordnung. ›Für die Supermärkte‹, sagt Zinggl, ›bewirkt das Gesetz jetzt fast einen Ausbaustopp‹.
Die Reaktion diverser Lebensmittelketten ließ nicht lange auf sich warten. Den Supermarkt-Chefs sei schon klar gewesen, dass das Burgenland dem Trend zu strikteren Regelungen in Sachen Neubau folgen werde, sagt Zinggl. ›Es wäre ihnen aber lieber gewesen, wenn wir nicht auf einmal die Strengsten geworden wären.‹ Mitte Mai tritt das bereits beschlossene Gesetz in Kraft.
Neuer Wohnraum in Salzburg
Ein Außenzugang hier, eine Grundstücksteilung dort, und schon kann neuer Wohnraum entstehen. Thomas Prinz vom ›Research Studio iSPACE‹, hat gemeinsam mit seinen Kollegen einen mehrstufigen Prozess entwickelt, dessen Ziel er so zusammenfasst: ›Im Grunde wollen wir durch Nachverdichtung zusätzlichen Wohnraum schaffen.‹
Wie vielerorts gab es auch in der Stadt Salzburg Wissenslücken über die potenziellen Flächenreserven. Das ›Research Studio iSPACE‹ erhob deshalb Gebäude- und Grundstücksdaten aller Art, trug sie zusammen und analysierte sie. Dieser Schritt, sagt Prinz heute, ›ist im Prinzip eine große Rechnerei‹.
Die Analysen dienen auf der einen Seite dazu, Maßnahmen der Stadt evaluierbar zu machen. Gleichzeitig ermöglichen sie Prinz, gemeinsam mit der Stadt eine zweistufige Beratung für die Innenentwicklung und Nachverdichtung von Ein- und Zweifamilienhäusern im Privatbesitz anzubieten.
Ein geschulter Planungsarchitekt besucht Interessierte zu Hause und spricht mit ihnen über die Möglichkeiten, ihr Eigentum so auszubauen, dass neuer Wohnraum entstehen kann. ›Wir wollen aber nicht den Wintergartenausbau unterstützen‹, sagt Prinz, ›nach unserer Arbeit sollten an den Orten mehr Menschen leben als zuvor‹.
Gut 40 Eigentümer haben sich bisher bei der Stadt gemeldet. Rund die Hälfte möchte das Angebot weiter nutzen. Die Sorgen bei den Erstgesprächen gehen von technischen Fragen zur Aufstockung von Wohnfläche bis hin zu Bedenken darüber, wie im Elternhaus Wohnraum so getrennt werden kann, dass auch noch ein eigenständiges Leben geführt werden kann.
Prinz plant nun, dieses Modell zu adaptieren und auf mehr Gemeinden zu erweitern, ›denn im Prinzip ist die Erhebung und Beratung in ganz Österreich möglich‹.
Tiroler Raumaufwertung
Der Inbegriff des Flächenfraßes ist die Betonwüste vor Supermärkten. Rund um Ortschaften reihen sich immer öfter Hofer an Billa und Lidl an Spar. Tirol, das Bundesland mit der geringsten noch bebaubaren Fläche, hat deswegen das Wohnen über Supermärkten forciert. Neue Lebensmittelgeschäfte sollen per Raumordnungsgesetz flächensparend gebaut und die Gebäude mehrfach genutzt werden. So auch in Volders, einem Ort unweit von Innsbruck.
Hier ist ein neuer MPreis, eine Tiroler Nahversorgerkette, mit darüberliegendem Wohnbau entstanden. Der Neubau löst eine bestehende Filiale ab und hat so ziemlich alle Vorteile, die viele oberösterreichische Landsupermärkte nicht bieten. Kunden stellen ihre Autos großteils in einer Tiefgarage ab. Zwar gibt es oberirdische Parkmöglichkeiten, es wurde dafür aber kein Boden neu versiegelt. Photovoltaikanlagen auf dem Dach liefern Energie. Ansonsten wächst Wiese darauf, um bei Hitze zu kühlen und Insekten ein Zuhause zu bieten. Ein anderer Teil dient den Mietern als Terrasse.
Von den 16 Wohnungen im dreigeschoßigen Wohnbau ist ein Teil außerdem für betreutes Wohnen, speziell für ältere Menschen mit erhöhtem Pflegeanspruch, abgestellt. Drei Betreuer und sechs Betreute leben über dem MPreis. Kathrin Aste – sie hat das für den Supermarkt zuständige Architekturbüro mitgegründet – sagt: ›Das MPreis hier ist schlicht eine Aufwertung des Raumes.‹
Mit der Mehrfachnutzung kommen allerdings kleine Hürden. Die Zulieferung für einen Supermarkt und die Emissionen des Lebensmittelgeschäfts selbst müssen mit dem Wohnraum kompatibel sein. Das sei aber lösbar, sagt Aste. Und: ›Um solche Projekte umzusetzen, müssen wir verdichtet und höher bauen.› Aste muss die Gemeinden erst einmal davon überzeugen, dass solche Baumaßnahmen nötig sind und dem Ortsbild nicht schaden würden. Mit Blick auf den Flächenmangel in Österreich ist sie sich aber ohnehin sicher: ›Mischnutzungen, wie das Bebauen von Lebensmittelmärkten, brauchen wir in Zukunft immer mehr‹.
Ortszentren beleben in Oberösterreich
Das Nichts zu nutzen ist Roland Murauers Job. Der Chef der Kommunal-Beratungsagentur Cima treibt mittlerweile seit sieben Jahren die Revitalisierung der Rieder Innenstadt voran, indem er aufzeigt, wie vielfältig sich Leerstand verwenden lässt, wenn man nur will.
In vielen österreichischen Gemeinden stirbt das Ortszentrum. Geschäfte wandern ab und kommen nie wieder. Ried im Innkreis hätte wohl dasselbe Schicksal ereilt. Boomender Online-Handel, die komplizierte Bauart der Gebäude und eine lange Debatte um ein innerstädtisches Einkaufszentrum schreckten Investoren ab. Am Ende war fast die Hälfte der Häuser von Leerstand betroffen. ›Das war ein echter Giftcocktail damals‹, sagt Murauer.
Um das Ortskernsterben in Ried zu verhindern, mischte Murauer sein eigenes Gegenmittel: Mit ImmoUp hat die Gemeinde Ried ein Projekt gestartet, das Gewerbe wieder in die Innenstadt bringen soll und auch Flächen spart. Murauer möchte dabei den Donut-Effekt verhindern. Gewerbe soll sich nicht ringförmig um einen leeren Ortskern ansammeln. Vielmehr solle die Stadt ein prall gefüllter Krapfen werden.
Um das zu erreichen, kontaktierte Murauer 300 innerstädtische Hausbesitzer. Ein Drittel davon zeigte Interesse. In Beratungsgesprächen wurden die Eigentümer über das Potenzial ihrer Gebäude informiert. Könnten ein Restaurant, Wohnungen oder Geschäfte darin Platz finden? In Workshops vernetzte Murauer die Eigentümer unter anderem mit Banken, Architekten oder Handwerkern. Die Besitzer entwickelten Nutzungskonzepte für ihre Häuser im Stadtkern.
Die daraus entstandenen Projekte konnten die Besitzer bei einem Wettbewerb um die innovativsten Ideen für die Innenstadt einreichen. Die Gemeinde kürte ein multifunktionales Geschäfts- und Wohnhaus zum Siegerprojekt. Außerdem sollen ein innerstädtisches Parkhaus und eine Art Motel entstehen. ›Es geht dabei nicht darum, Disneyland aus der Innenstadt zu machen‹, sagt Murauer, ›aber man muss sie wirtschaftlich denken‹. •