Liebe Leserin, lieber Leser,
es gibt Recherchen, bei denen kommt man um einen Selbsttest nicht umhin. Wie sollte Werner Jessner den neuen Elektroroller BMW C evolution beschreiben, ohne das 275 Kilogramm schwere Trumm gefahren zu haben? Wie Daniel Syrovy die Lektüre überlesener Schriftstellerinnen empfehlen, ohne ein Dutzend Bücher gelesen zu haben? Und wie hätte Solmaz Khorsand im vergangenen Oktober einen authentischen Text über das Leben von Frauen im Iran verfassen können – der nun vom Journalismustag als eine ›Story des Jahres‹ ausgezeichnet wurde –, ohne selbst eine Zeitlang dort gelebt zu haben (wir gratulieren herzlich!)? Und dann gibt es Recherchen, die einen Selbsttest nicht bedingen, aber, Himmel, was soll man sagen: die Neugier!
So war das bei der vorliegenden Covergeschichte über das legale Millionengeschäft mit Hanf. Die Betonung liegt also auf: legaler Selbsttest. Legal sind nämlich auch die Tropfen, die sie CBD nennen und in der Wiener Hanfinstitution Bushdoctor schräg gegenüber unserer Redaktion verkaufen. Nach all den Geschichten von den Migränekranken und Krebskranken und Schlafkranken, die wegen dieser Tropfen weniger litten, mehr aßen und länger schliefen, haben wir sie eben getestet. Wir, das bedeuet: einer, eine von uns, und wer, das unterliegt dem Redaktionsgeheimnis. Und auch, wenn wir an keiner der genannten Krankheiten leiden, so kamen wir nach zwei Wochen täglich fünf Tropfen vor dem Schlafengehen doch zweifelsfrei und erstaunt zu dem Befund: sie wirken, zumindest was den Schlaf angeht, es muss der Schlaf von Babys sein. Was genau CBD ist und welche Kosmetika, Schmerz- und Nahrungsmittel sonst noch in Österreich aus Hanf gewonnen und verkauft werden, das erklären Eva Konzett und Jakob Pallinger ab Seite 16.
Dass Schlaf in unserer zunehmend schlaflosen Gesellschaft allmählich zum Statussymbol wird, darüber sprach Claudia Unterweger übrigens ab Seite 26 mit der Schlaf- und Traumforscherin Brigitte Holzinger. Dass Unterweger schon selbst ein Schlaflabor sowie schlaffördernde Techniken getestet hat, hat dem Gespräch jedenfalls nicht geschadet.
Getestet haben wir auch einen Hanf-Steckling, bloß ganz anders als der – ja, legale – Kauf eines solchen nahelegt. Und zwar besorgte sich unser Fotograf Gianmaria Gava eine Jungpflanze, von denen in Österreich jährlich hunderttausende zum Zweck der Cannabiszucht verkauft werden, um sie mit Goldspray zu besprühen. Das glänzende Ergebnis sehen Sie auf dem vorliegenden Cover. Dass der Spray die Lebensspanne der Hanfpflanze rapide verkürzte, soll als Teilergebnis von Gavas Goldgifttest dienen – und Sie davon überzeugen, dass uns nicht bald Illegales blüht.
Und schließlich testeten wir auch die vorliegende und völlig legale Ausgabe von DATUM, indem wir sie unserem Lektor Michael Ziegelwagner zur Lektüre vorlegten. Er las sie zwei Mal. Ziegelwagners Fazit: exzellent. Zugegeben, er wird auch dafür bezahlt – also für seine Ehrlichkeit. Aber überzeugen Sie sich doch selbst.
In diesem Sinn darf ich Ihnen viel Vergnügen wünschen bei der Lektüre der Seiten der Zeit,
Ihr Stefan Apfl
stefan.apfl@datum.at