Grausame Inszenierung
Wie die Trump-Regierung Häftlinge für eine politische Kampagne benutzt.
Kahlgeschoren, mit nacktem Oberkörper voller Tattoos, stehen die Männer in El Salvador wie ausgestellt hinter Gittern. Im Vordergrund posiert die US-Heimatschutzministerin Kristi Noem. ›Wer illegal in unser Land kommt, dem drohen solche Konsequenzen‹, warnt sie in ihrer Abschreckungskampagne.
Im Centro de Confinamiento del Terrorismo in Tecoluca (CECOT) leben mehr als 40.000 Menschen: in regalähnlichen Stockbetten übereinandergestapelt, ohne Matratzen oder Bettwäsche. Das Licht brennt durchgehend. Es gibt keinen Kontakt mit der Außenwelt. Wer hier landet, verschwindet quasi von der Bildfläche – wenn er nicht gerade zu Marketingzwecken instrumentalisiert wird.
Die New York Times bezeichnet Noems Ressort als ›Department of Homeland Publicity‹. Sie lässt sich mit Sturmgewehr filmen, reitet cowboyhaft am Grenzzaun entlang, inszeniert sich in Uniform wie in einem Polizeifilm und geht vor den Gefängniszellen auf und ab wie in einem Zoo.
Menschenrechtsorganisationen nennen es eine grausame Zurschaustellung und politisches Theater. Das sei man von der Trump-Regierung gewohnt. Nach rund hundert Tagen Trump II steht fest: Diese Kampagnen prägen einen politischen Stil, der bisher herrschende demokratische Normen missachtet.
Die Bildsprache wirkt autoritär und autokratisch – aber während das manche verstört, punktet die
Inszenierung bei einem Teil des Publikums gerade damit. Trump und sein Team nutzen Fotos, um extreme und oft rechtswidrige Maßnahmen zu normalisieren und etablierte Werte und Institutionen zu destabilisieren.
An Noems Rundgang im Cecot durften ausgewählte (Foto-)Journalisten teilnehmen. Alex Brandon fotografierte obiges Bild, das um die Welt ging, für Associated Press (AP) – just jene Nachrichtenagentur, die sich den Zutritt zu Pressekonferenzen der Trump-Regierung gerade gerichtlich erkämpfen muss, weil sie sich weigert, den Golf von Mexiko als ›Golf von Amerika‹ zu bezeichnen.
Brandon dürfte also kaum geplant haben, ein Propagandafoto zu schießen. Dennoch wurde die Aufnahme von der Trump-Administration genau so eingesetzt. Für eine kritische Auseinandersetzung lohnt es sich, noch andere Fotos vergleichend zu Hilfe nehmen. Sie zeigen, dass im Moment der Aufnahme nicht nur Kameras, sondern auch Waffen auf die Häftlinge gerichtet sind. Die Anspannung, die auf dem gestellten Setting lastet, wird spürbar. Die Häftlinge, die in den oberen Stockbetten sitzen und kauern, tragen T-Shirts. Nur jene, die hinter Noem stehen, mussten sie offenbar für das Foto ausziehen. Im Kontrast dazu trägt Noem ein weißes Shirt und dazu Insignien der Macht: die Kappe der Polizei- und Zollbehörde sowie eine 50.000 Dollar teure Rolex.
›Die Männer wirken nicht angsteinflößend. Wer verbreitet mehr kriminelle Ausstrahlung?‹, fragt Michael Shaw. 2004 gründete er ›Reading the Pictures‹, eine Non-Profit-Organisation, die Wissen über visuelle politische Kommunikation verbreitet und Nachrichtenfotos analysiert. ›Schon vor Trump waren Republikaner am rechten Rand provokativ und manipulativ, aber diese aalglatte, polierte Bildsprache ist neu‹, sagt der studierte Psychologe. Ihn erinnern die Aufnahmen aufgrund der Grausamkeit und Gewaltdemonstration an die Trophäenbilder amerikanischer Soldaten im Foltergefängnis Abu Ghuraib. Sie zerstörten damals jede Illusion, dass die USA im Irakkrieg als Befreier auftraten.
Genau auf das Framing zu achten und Details zu studieren – das werde aufgrund des weltweit zunehmenden Totalitarismus immer relevanter, betont Shaw. Dann erst lässt sich hinter die Inszenierung blicken: Die Gefängniswärter dürften für den Fototermin die in ihren Augen schwerstkriminellen Insassen ausgewählt haben, Mitglieder der Bande Mara Salvatrucha, für die das tätowierte ›MS‹ steht. Mit den 238 Venezolanern, die aus den USA rechtswidrig abgeschoben wurden, haben die abgelichteten Männer also gar nichts zu tun. •