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Kühler Kopf, weiter Blick, offenes Herz

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Illustration:
Blagovesta Bakardjieva
DATUM Ausgabe Dezember 2023/Jänner 2024

Die Weihnachtszeit hat heuer besonders früh begonnen. Das sagen wir jedes Jahr, aber diesmal ein wenig anders als sonst. Weniger genervt, fast erleichtert, als könnten wir es nicht erwarten, bis Tannenreisig, Glühwein und Kerzenschein die schlechten Nachrichten aus aller Welt endlich in den Hintergrund drängen. Wieso also wieder eine Krise in den Fokus nehmen, die das Potenzial hat, die Welt – oder zumindest einen Teil davon – in den Abgrund zu stürzen?

Beginnen wir mit dem, was wir mit diesem Heft nicht tun wollten: Menschen vom sicheren Österreich aus Ratschläge geben, wie sie sich zu verhalten haben, nachdem ihre Mütter und Väter, Söhne und Töchter, Brüder und Schwestern entführt, vergewaltigt, erschlagen oder bombardiert wurden, die ihr Zuhause verloren haben oder sogar den Glauben daran, dass es wieder etwas geben kann, das diesen Namen verdient. Die Gnade der weit entfernten Geburt sollte uns nicht zu moralischer Überheblichkeit verleiten.

Sie verpflichtet uns vielmehr, einen kühlen Kopf, einen weiten Blick und ein offenes Herz zu bewahren, auch oder gerade dann, wenn es die Betroffenen selbst nicht können oder wollen. Sagen, was ist – und was sein könnte. So hat der deutsche Publizist Wolfgang Blau den berühmten Leitspruch von Spiegel-Gründer Rudolf Augstein für den Journalismus in Zeiten der Klimakrise abgewandelt. Er ist auch für die Berichterstattung über die Mutter aller geopolitischen Konflikte ein gutes Motto.

Als Wegweiser für den Schwerpunkt dieser Ausgabe haben jedoch auch Menschen gedient, die seit Monaten im Auge des Sturms stehen, der gerade über den Nahen Osten hinwegfegt. Menschen, die seit dem barbarischen Überfall der Hamas auf den Süden Israels um ihre entführten Angehörigen bangen – oder um Ermordete trauern. Wie unsere Nahost-Expertin Petra Ramsauer schildert, gehören viele Familien der Opfer vom 7. Oktober zu jenen Israelis, die nach wie vor um eine friedliche Koexistenz mit den Palästinensern ringen.

Einige nutzten die Begräbnisse ihrer Angehörigen für Plädoyers gegen überschießende Gewalt. Andere chauffierten schon am 8. Oktober wieder schwer kranke Palästinenser in israelische Spitäler.

Nicht jede Katastrophe birgt eine Chance, aber die Hoffnung, dass der 7. Oktober mittelfristig zur Stunde Null eines reaktivierten Friedensprozesses werden könnte, hegen neben den Opferfamilien aus den Kibbuzim auch durchaus namhafte Nahostroutiniers aus Thinktanks, Wissenschaft und Diplomatie. 

So plädierte etwa der Politikwissenschaftler Uriel ­Abulof im Time Magazine dafür, den Nahost-Konflikt nicht länger als Auseinandersetzung zwischen Israelis und ­Palästinensern zu betrachten, sondern als ›Krieg gegen die Eiferer auf beiden Seiten, den Araber und Juden nur gewinnen können, wenn sie ihn gemeinsam führen‹. Mittlerweile seien ›sowohl die Israelis als auch die Palästinenser so enttäuscht von ihren selbstsüchtigen Anführern – deren zerstörerische Hybris auf so schmerzhafte Weise unübersehbar geworden ist –, dass es auf beiden ­Seiten eine seltene Bereitschaft geben könnte, einen Durchbruch zu wagen‹.

Israels ehemaliger Inlandsgeheimdienstchef Ami Ajalon verweist auf den Jom-Kippur-Krieg, um zu erklären, warum er die bisher erlittenen Traumata für überwindbar hält. ›Ägypten war damals unser größter Feind, und es dauerte sechs Jahre, bis wir 1979 Frieden schlossen. Aber dieser Friede hält bis heute.‹ Sowohl Abulof als auch ­Ajalon setzen auf US-Präsident Biden, um den dafür nötigen Prozess in Gang zu setzen. Das Superwahljahr 2024 wird zeigen, wie viel Zeit ihm dafür noch bleibt. Bevor wir uns bei DATUM dem kommenden Jahr stellen, haben wir uns allerdings eine kleine Pause verdient. Das neue DATUM-Jahr startet wie immer im Februar. 

Bis dahin wünsche ich Ihnen einen schönen Advent, erholsame Feiertage und viel Freude mit den Seiten der Zeit.

Ihre Elisalex Henckel

elisalex.henckel@datum.at

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