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›Oh Gott, das darf nicht wahr sein!‹

Die angehende evangelische Pfarrerin Julia Schnizlein über Kinder, Spotify und Gemeinschaft.

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privat
DATUM Ausgabe Dezember 2019

›Meine stärksten Weihnachtserinnerungen sind der Geruch des Baumes, die Lieder – und Schweinebraten. ‹

›Nach der Diagnose des lebensbedrohlichen Herzfehlers meiner damals noch ungeborenen Tochter habe ich gedacht: »Warum bestraft mich Gott?« Dann habe ich aber gelernt, es auch anders zu sehen: Eigentlich hat Gott sich das total gut ausgesucht, und genau dieses Kind für die richtigen Eltern gewählt. ‹

›Meine Tochter Elsa hat mich unlängst einmal gefragt: »Warum wollte der liebe Gott, dass ich nur mit einem halben Herzen geboren werde?« Da habe ich gesagt: »Weil ich glaube, dass er wusste, dass du es aushältst.«‹

› Plötzlich kam mir im Journalismus alles so oberflächlich vor. ‹ 

›Ich habe vier Wochen nachgedacht. Als ich dann den Schritt gewagt und bei News gekündigt habe, um mein Vikariat zu machen, habe ich kurz ein bisschen Panik bekommen und gedacht: »Oh Gott, das darf nicht wahr sein!«‹

›Bei der letzten OP unserer Tochter hat der Chirurg versprochen, uns nach etwa vier Stunden anzurufen, wenn alles gelungen ist. Es hat dann aber niemand angerufen. Es ist immer später geworden, und ich bin im AKH fast Amok gelaufen. Ich war überzeugt, dass mein Kind tot ist. Tatsächlich hatten sie sich nur die falsche Handynummer aufgeschrieben. ‹

›Nach ihrer OP hat sich meine Tochter selbst extubiert, weil sie sich so gewehrt hat. Das erste, was sie dann gesagt hat, war »doofe Mama«, und ich war unheimlich glücklich. ‹

›Ich überlege schon auch, ob ich erzählen soll, dass ich Pfarrerin bin. Das killt oft das Gespräch.‹

›Ich bekomme auch immer wieder Kritik, dass ich in sozialen Medien meinen Beruf manchmal als »Job« bezeichne.‹

›Wir haben keinen Papst, der sagt, was richtig und falsch ist. Jeder Evangelische liest die Bibel so, wie es ihm sein Gewissen sagt. Das ist ein riesiger Unterschied. ‹

›Jetzt wo der Bundespräsident wieder evangelisch ist, fände ich es natürlich fein, wenn er mal bei mir vorbei schaut.‹

›Ich halte Storytelling auch in der Kirche für ganz wichtig. Wir dürfen die Menschen mit unseren Predigten nicht langweilen.‹

›Ich bin ein großer Fan der » digitalen Kirche «. Wir müssen mit unseren Themen dort präsent sein, wo die Menschen sind: im Internet, den Sozialen Netzwerken. Wir sollten anfangen, unsere Predigten auf Spotify zu stellen.‹

›Es gibt Hater, die sehr religiös sind.‹

›Bei Beerdigungen erlebe ich schon Dinge. Einmal haben die Angehörigen erzählt, dass der Verstorbene eine Briefmarkensammlung hatte. Die habe ich in meiner Trauerrede erwähnt. Dann höre ich, wie jemand von hinten sagt: »Was? Davon hat der Notar aber nichts gesagt!«‹

›Die Morgen mit zwei Kindern können ein ziemlicher Albtraum sein. Ich bin dann schon manchmal froh, wenn ich danach bei einem Trauergespräch bin. ‹

›Ich höre sehr oft: »Super Beruf, du arbeitest ja nur am Sonntag.« Das ist wirklich Quatsch. ‹

›In meinem Beruf wird ein Großteil der Arbeit gar nicht gesehen. Wenn ich Theaterstücke für die Kinder entwerfe. Wenn ich backe, einkaufe, einen Raum für die Senioren herrichte, danach aufräume und warte bis der Geschirrspüler fertig ist.‹

› Ich finde, dass zum Glauben eine Art Gemeinschaft gehört. Glauben nur zu Hause alleine im Kämmerchen finde ich schwierig.‹