Versiegelte Welt
Beton ist überall . Er ist der häufigste und klimaschädlichste Baustoff. Was ist die Alternative?
105 Minuten. So lange hat ein Lastwagen voller Beton Zeit, um von der Mischanlage zur Baustelle zu gelangen. Dauert es länger, kann der Hersteller für die Intaktheit des Betons nicht mehr garantieren. Es sind Minuten, deren Verstreichen an irgendeinem Punkt in der Zukunft zu fatalen Folgen führen kann : Die achtstöckige Fabrik in Bangladesch, die 2013 einstürzte und mehr als tausend Menschen tötete, dürfte aus einem solchen fehlerhaften Beton gebaut worden sein. Und 30 Prozent des chinesischen Zements sollen einen so massiven Qualitätsmangel haben, dass damit errichtete Ge-
bäude › Tofuhäuser ‹ genannt werden. 70 Prozent der Weltbevölkerung lebt in Konstruktionen, die zumindest zum Teil aus Beton bestehen. Und zwischen den Jahren 2011 und 2013 verbrauchte China so viel Zement – der Klebstoff, der Beton zusammenhält – wie die USA im kompletten 20. Jahrhundert. In seiner schieren Masse ist Beton nach Wasser das weltweit am häufigsten verwendete Material.
Dabei birgt Beton ein großes Problem : Um ihn herzustellen, braucht man Wasser, Zement sowie eine Gesteinskörnung aus Sand und Kies. Verborgen sind dabei aber die Unmengen an Treibhausgasen, die in der Mischung und Bearbeitung freigesetzt werden. Wäre die Betonbranche ein Land, stünde es nach den USA und China als drittgrößter Treibhausgas-Verursacher der Welt da. Auf eine Tonne Zement kommt eine Tonne CO2. Die Berechnungen sind unterschiedlich, Forscher sprechen deshalb aber meist von fünf bis zehn Prozent der globalen CO2-Emissionen, die von dieser Industrie ausgehen. Dazu kommt ein Zehntel des globalen, industriellen Wasserverbrauchs.
Schon im Jahr 1970 schrieb Joni Mitchell › Big Yellow Taxi ‹, ein Lied, das heute eine Hymne für den Kampf gegen die ökologische Krise sein könnte : Sie spricht darin von Insektiziden, die Vögel und Bienen gefährden; und wenn sie › they paved paradise and put up a parking lot‹ singt, adressiert sie ein weiteres Problem, das auch die Betonbranche betrifft : Versiegelt man den Boden mit einer wasserundurchlässigen Schicht wie Beton, zerstört das Lebensräume für viele Tier- und Pflanzenarten. Weniger Niederschlag, der in den Boden gelangt, bedeutet meist auch weniger Nährstoffe. Weniger Nährstoffe bedeuten weniger Leben und weniger Artenvielfalt im Boden. Das wiederum stört jahrtausendealte Kreisläufe und Interaktionen – eine Bedrohung für ganze Ökosysteme. Auch das gewaltige Ausmaß der Überflutung in New Orleans nach dem Hurrikan Katrina und in Houston nach dem Hurrikan Harvey kann auf versiegelte Flächen zurückgeführt werden.
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